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Technische Universität München

Lange offenes Rätsel der Teilchenphysik geklärt

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Bahnbrechende Entdeckung von TUM-Forschenden am CERN zeigt Entstehung von Deuteronen

Lange offenes Rätsel der Teilchenphysik geklärt

  • Baustein für besseres Verständnis des Universums
  • Neue Erkenntnisse zur fundamentalen Kraft der „starken Wechselwirkung“
  • Veröffentlichung im Spitzenjournal Nature

Ein weiteres Geheimnis der Teilchenphysik ist endlich geklärt. Ein internationales Forschungsteam des ALICE-Experiments am Teilchenbeschleuniger CERN unter Führung von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) konnte zum ersten Mal direkt beobachten, wie leichte Atomkerne und ihre Antiteilchen – sogenannte Deuteronen und Antideuteronen – in extrem energiereichen Teilchenkollisionen entstehen.

Das Ergebnis: Die zur Bildung von Deuteronen notwendigen Protonen und Neutronen werden beim Zerfall sehr kurzlebiger, energiegeladener Teilchenzustände (sogenannten Resonanzen) freigesetzt und schließen sich dann zusammen. Dasselbe gilt auch für ihre Antimaterie-Gegenstücke. Die Erkenntnisse wurden im renommierten Magazin Nature veröffentlicht.

In den Protonenkollisionen am Large Hadron Collider (LHC) des CERN entstehen Temperaturen, die über 100.000-mal heißer sind als im Inneren der Sonne. Bislang war völlig unklar, wie so fragile Teilchen wie Deuteronen und Antideuteronen dies überhaupt überstehen können. Unter solchen Bedingungen sollten leichte Atomkerne wie das Deuteron – bestehend aus nur einem Proton und einem Neutron – eigentlich sofort wieder zerfallen, da die Bindung, die sie zusammenhält, vergleichsweise schwach ist. Trotzdem wurden solche Kerne immer wieder beobachtet. Nun ist klar: Rund 90 Prozent der beobachteten (Anti-)Deuteronen entstehen durch diesen Mechanismus.

Besseres Verständnis des Universums

Die TUM-Teilchenphysikerin Prof. Laura Fabbietti, Forscherin im Exzellenzcluster ORIGINS und im Sonderforschungsbereich SFB1258, betont: „Unser Ergebnis ist ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis der ‚starken Wechselwirkung‘ – jener fundamentalen Kraft, die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält. Die Messungen zeigen klar: Leichte Kerne bilden sich nicht im heißen Anfangsstadium der Kollision, sondern später, wenn die Bedingungen etwas kühler und ruhiger geworden sind.“

Dr. Maximilian Mahlein, Forscher an Fabbiettis Lehrstuhl für Dense and Strange Hadronic Matter an der TUM School of Natural Sciences, erläutert: „Unsere Entdeckung ist nicht nur für die Grundlagenforschung in der Kernphysik bedeutsam. Leichte Atomkerne entstehen auch im Weltall – etwa bei Wechselwirkungen von kosmischer Strahlung. Sie könnten sogar Hinweise auf die noch mysteriöse Dunkle Materie liefern. Mit den neuen Erkenntnissen lassen sich Modelle zur Entstehung dieser Teilchen verbessern und kosmische Messdaten zuverlässiger deuten.“

Publikation:

ALICE Collaboration, M. Mahlein, L. Fabbietti et al. First observation of (anti)deuteron formation from resonance-decay 4 nucleons, erschienen in Nature 648, pages 306–311 (2025), https://doi.org/10.1038/s41586-025-09775-5

Weitere Informationen:

Das CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) ist das weltweit größte Forschungszentrum für Teilchenphysik. Es liegt an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich bei Genf. Herzstück ist der LHC, ein 27 Kilometer langer unterirdischer Ringbeschleuniger. Darin stoßen Protonen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander. Diese Kollisionen schaffen Bedingungen, wie sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben – Temperaturen und Energien, die im Alltag nirgendwo vorkommen. Forschende können so untersuchen, wie Materie im Innersten aufgebaut ist und welche Naturgesetze dort gelten.

Unter den Experimenten am LHC ist ALICE (A Large Ion Collider Experiment) speziell darauf ausgelegt, die Eigenschaften der sogenannten starken Wechselwirkung zu erforschen – der Kraft, die Protonen und Neutronen in Atomkernen zusammenhält. ALICE wirkt wie eine riesige Kamera, die die bis zu 2000 Teilchen, die bei jeder Kollision entstehen, genau verfolgen und rekonstruieren kann. Ziel ist es, die Bedingungen der frühen Sekundenbruchteile des Universums nachzuvollziehen – und dadurch besser zu verstehen, wie aus einer Suppe aus Quarks und Gluonen zunächst stabile Atomkerne und schließlich Materie entstanden sind.

Der Exzellenzcluster ORIGINS (Video) erforscht die Entstehung und Entwicklung des Universums und seiner Strukturen – von Galaxien, Sternen und Planeten bis hin zu den Bausteinen des Lebens. ORIGINS untersucht dabei den Weg von den kleinsten Teilchen im frühen Universum bis zur Entstehung biologischer Systeme. Beispiele sind die Suche nach Bedingungen für mögliches außerirdisches Leben und das tiefere Verständnis der Dunklen Materie. Im Mai 2025 wurde im Rahmen der hochwettbewerblichen Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder die zweite Förderphase des von TUM und Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) gemeinsam beantragten Clusters genehmigt.

Der Sonderforschungsbereich „Neutrinos und Dunkle Materie in der Astro- und Teilchenphysik“ (SFB 1258) befasst sich mit Grundlagenphysik, wobei die schwache Wechselwirkung, eine der vier Grundkräfte der Natur, im Mittelpunkt steht. Die dritte Förderperiode des SFB 1258 begann im Januar 2025.

Zusatzinformationen für Redaktionen:

Foto zum Download:

https://mediatum.ub.tum.de/1838626

https://mediatum.ub.tum.de/1838627

Pressemitteilung auf tum.de

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Dr. Laura Fabbietti

Technische Universität München

TUM School of Natural Sciences

Professur für Experimentalphysik - Dense and Strange Hadronic Matter

laura.fabbietti@ph.tum.de

Kontakt im TUM Corporate Communications Center:

Ulrich Meyer

Pressesprecher

+49 89 289 22779

ulrich.meyer@tum.de

www.tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 700 Professuren, 53.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinderinnen und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.

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