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Klinikum Ingolstadt

Wiederherstellung der Schluckfunktion durch elektrische Impulse

Wiederherstellung der Schluckfunktion durch elektrische Impulse
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Wiederherstellung der Schluckfunktion durch elektrische Impulse

Innovatives System zur Behandlung von Intensivpatientinnen und -patienten am Klinikum Ingolstadt

Am Klinikum Ingolstadt ist seit Sommer eine neurostimulierende Therapie zur Wiederherstellung der Schluckfunktion im Einsatz, die es Patientinnen und Patienten mit neurogener Dysphagie – also Schluckstörungen infolge neurologischer Erkrankungen – ermöglicht, mithilfe elektrischer Impulse die Schluckfähigkeit wiederherzustellen.

Schlucken ist ein komplexer Vorgang. An jedem Schluckvorgang sind fünf Hirnnerven und fünfzig Muskeln beteiligt, um einen sicheren und effektiven Transport der Nahrung oder Flüssigkeit vom Mund in den Magen sicherzustellen. Um das Zusammenspiel der Muskeln zu steuern, benötigt das Gehirn umfassende sensorische Informationen aus dem Mund-Rachen-Raum, die über Nerven vermittelt werden. Die motorischen Signale aus dem Gehirn werden dann über die Nervenfasern an die Muskeln weitergegeben.

Dieses Zusammenspiel kann gestört sein, z. B. durch mechanische Schädigung oder zentralnervöse Schäden, ausgelöst durch einen Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma oder durch längere „Nichtverwendung“, wie das beispielsweise bei Komapatientinnen und -patienten oder langzeitbeatmeten Patientinnen und Patienten der Fall sein kann.

Neurostimulationstechnik zur Wiederherstellung der Schluckfähigkeit

Das Phagenyx-System ist eine innovative, neurostimulierende Therapie zur Wiederherstellung der Schluckfunktion bei Patientinnen und Patienten mit neurogener Dysphagie – also Schluckstörungen infolge neurologischer Erkrankungen. Die Therapie beruht auf der sogenannten pharyngealen Elektrostimulation (PES), einem Verfahren, bei dem durch elektrische Reize gezielt die Muskulatur im Rachen stimuliert wird. „Über eine speziell entwickelte Sonde werden gezielte elektrische Impulse an den Rachen abgegeben. Diese Stimulation aktiviert u. a. sensorische Leitungsbahnen, die an der Steuerung des Schluckaktes beteiligt sind“, erklärt Prof. Lars Henning Schmidt, Direktor der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie. Ziel ist es, durch wiederholte individuell dosierte Reize die neuroplastische Reorganisation zu fördern – das heißt, das Gehirn dabei zu unterstützen, neue Verbindungen aufzubauen und die Kontrolle über die Schluckfunktion zurückzugewinnen. Dabei werden sowohl neue als auch bestehende neuronale Verbindungen aktiviert.

„Während der Testphase hat sich gezeigt, dass umso bessere Behandlungsergebnisse erzielt werden konnten, je früher das System im laufenden Weaning-Prozess zum Einsatz kommt“, sagt Thomas Kemmetter, Atmungstherapeut am Klinikum Ingolstadt. Als Weaning wird dabei die schrittweise Entwöhnung von der künstlichen Beatmung bezeichnet.

Unter anderem könnten die Patientinnen und Patienten nicht nur früher von der Trachealkanüle genommen werden, sondern langfristig auch eine höhere Lebensqualität wiederhergestellt werden. Die Behandlung erfolgt an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils zehn Minuten pro Tag. „Phagenyx ermöglicht auch die Behandlung von Patientinnen und Patienten, die aufgrund eines reduzierten Wachheitszustandes oder der Schwere der Schluckstörung mit konservativen Dysphagiebehandlungen, wie etwa Logopädie, nicht oder nicht vollständig therapiert werden können“, sagt Prof. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Palliativ- und Schmerzmedizin. „Es stellt somit eine weitere Stellschraube im Weaning-Prozess dar.“

Am Klinikum Ingolstadt ist das System nach einer ausführlichen Testphase seit Kurzem im Einsatz und soll zunächst bei rund 20 bis 25 Patientinnen und Patienten pro Jahr Anwendung finden.

„Das Klinikum Ingolstadt gehört zu den wenigen Akutkrankenhäusern in Deutschland, die das Phagenyx-System bereits im Regelbetrieb einsetzen“, betont Dr. Andreas Tiete, Geschäftsführer Medizin, Pflege und Informationstechnologie. „Dies ermöglicht neben besseren Behandlungsergebnissen auch eine verkürzte Verweildauer der Patientinnen und Patienten – ein bedeutender Vorteil vor dem Hintergrund der generell knappen Verfügbarkeit von Intensivbetten.“

Schritt für Schritt zurück ins Leben

Friedrich Hödl, 69 Jahre alt, wohnt in Manching und hat in den vergangenen Monaten einen schweren gesundheitlichen Weg hinter sich. Nachdem er bereits zwei Schlaganfälle überstanden hatte, erlitt er im Juli eine Hirnblutung und wurde daraufhin auf die Intensivstation des Klinikums Ingolstadt eingeliefert. Sieben Wochen lang kämpfte das medizinische Team dort um sein Leben. „Er war mehr tot als lebendig“, beschreibt seine Ehefrau Karin die dramatische Situation. Aufgrund der Schwere seines Zustands musste eine Tracheotomie durchgeführt und Herr Hödl über eine Kanüle künstlich beatmet werden. Bereits ab diesem Zeitpunkt kam auch das Phagenyx-System zum Einsatz, eine innovative Therapie zur Behandlung neurogener Dysphagie. In nur zehn Minuten pro Tag wurden gezielt jene Nerven im Rachenraum mit elektrischen Impulsen stimuliert, die für den Schluckvorgang zuständig sind.

Durch die Therapie mit dem Phagenyx-System verbesserte sich Herrn Hödls Schluckfunktion soweit, dass die Trachealkanüle bereits nach kurzer Zeit mit einem Sprechaufsatz versorgt werden konnte. Damit konnte er erstmals wieder kommunizieren.

Durch die tägliche Stimulation mit Phagenyx und die enge logopädische Begleitung verbesserte sich seine Schluckfähigkeit sukzessive. „Das System stellt einen wichtigen Türöffner für die logopädische Therapie dar, da es ein selbstständiges Speichelmanagement ermöglicht – eine essenzielle Voraussetzung für jede weitere therapeutische Maßnahme“, sagt Sabrina Hetterich, Leitende Logopädin am Klinikum Ingolstadt. Aufbauend darauf kann das logopädische Team mit funktionellen Kräftigungsübungen, kompensatorischen Techniken wie Haltungsanpassung und adaptiven Maßnahmen zur Kostanpassung arbeiten.

Der Therapieerfolg zeigt sich inzwischen deutlich: Herr Hödl isst wieder selbstständig, zumindest weiche Speisen – der Schweinebraten muss noch warten. Seine Sprechfähigkeit kehrt zurück, das Sprechen fällt ihm zwar noch schwer, aber es wird mit jedem Tag besser. Seine Frau besucht ihn täglich auf der Frührehabilitation und begleitet ihn auf seinem Weg zurück ins Leben. Im Rollstuhl kann er sich bereits wieder eigenständig fortbewegen. Sein Ziel ist klar: Er möchte sich sein normales Leben zurückerobern – Schritt für Schritt.

Ihre Ansprechpartnerin für Rückfragen
Viola Wolfsteiner
Unternehmenskommunikation und Marketing
Tel.: (0841) 8 80-10 63
E-Mail:  Viola.Wolfsteiner@klinikum-ingolstadt.de
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