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Deutscher Presserat

Rügen für Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht und den Opferschutz

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Presserat rügt Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht

und den Opferschutz

Der Deutsche Presserat hat auf seinen Sitzungen vom 5. bis 7. Dezember

insgesamt 14 Rügen ausgesprochen.

Künstlich generierte Bilder nicht gekennzeichnet

Die Zeitschrift LISA erhielt eine Rüge für das mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) erstellte „Extraheft Lisa Kochen & Backen“. Das Heft enthielt „99 Pasta-Rezepte zum Nachkochen“. Die Rezepte und Bilder der Gerichte waren mit Hilfe von Software generiert worden. Nach Ansicht des Presserats hätten die Bilder als symbolische Illustrationen im Sinne von Ziffer 2, Richtlinie 2.2 des Pressekodex gekennzeichnet werden müssen. Die fehlende Kennzeichnung führt zu einer Irreführung der Leserinnen und Leser, entschied der Presserat. Hinsichtlich der mit Hilfe von KI generierten Rezepte stellte der Presserat hingegen keinen Verstoß gegen den Pressekodex fest, da in Bezug auf Texte keine Kennzeichnungspflicht besteht.

Verwandte von Verdächtigem hätten nicht genannt werden dürfen

FOCUS.DE wurde gerügt für die Veröffentlichung eines Artikels unter der Überschrift „Mädchen (17) tot, Frau verletzt – was wir über den gesuchten Landwirt wissen“. Der Beitrag informierte über die Fahndung der Polizei nach einem Landwirt wegen eines Tötungsdeliktes. Der Gesuchte wurde detailliert beschrieben. Zudem wurde ausführlich über den Hof des Mannes berichtet, den er gemeinsam mit zwei – namentlich genannten – Familienmitgliedern betreibt. In den Angaben zu den Verwandten des Verdächtigen sah der Presserat eine Verletzung des Schutzes ihrer Persönlichkeit nach Ziffer 8, Richtlinie 8.4 Pressekodex. Wenn wie hier Familienangehörige mit der Fahndung nichts zu tun haben, sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig.

Überschrift über Entlassungen war nicht von Fakten gedeckt

DERWESTEN.DE wurde für eine Meldung unter der Überschrift „DHL übernimmt türkischen Paketdienstleister – sofort werden Mitarbeiter wegen Fehlverhaltens entlassen“ gerügt. In dem Beitrag ging es um die Übernahme eines türkischen Paketdienstleisters durch DHL. Die Redaktion berichtete, das türkische Unternehmen habe die Mitarbeiter entlassen, nachdem ein Handyvideo deren Fehlverhalten gezeigt habe. Die Übernahme der Firma war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vollzogen. Die Überschrift suggerierte aber sowohl einen zeitlichen als auch inhaltlichen Zusammenhang zwischen Übernahme und Entlassungen, der nicht von Fakten gedeckt war, und verstieß damit gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex.

Irreführende Überschrift über Diskussion mit Klima-Aktivisten

DERWESTEN.DE wurde gerügt für einen Artikel unter der Überschrift „Letzte Generation in NRW: Pfarrer diskutiert mit Klima-Klebern – und trickst sie SO heimlich aus“. Der Beitrag informierte über eine Diskussion mit Klima-Aktivisten in einer Kölner Kirche. Es hieß, der Pfarrer habe Sicherheitskräfte engagiert, um mögliche Beschädigungen in der Kirche durch die Klima-Kleber zu verhindern und sie dadurch „ausgetrickst“. Zwei Tage später wurde in einer überarbeiteten Version des Beitrages mitgeteilt, dass die Sicherheitskräfte nicht die Kirche vor den Klimaaktivisten, sondern diese vor möglichen Übergriffen von Bürgern schützen sollten. Der Presserat stellte in dem ersten Beitrag eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 Presskodex fest. Die zweite Version erfüllte nicht die Anforderungen einer Richtigstellung nach Ziffer 3 Pressekodex, da die Leserschaft nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Erstmeldung nicht korrekt war.

Redaktion zeigt Moment des Sterbens

BILD.DE erhielt eine Rüge für einen Bericht über einen Autounfall. Unter der Schlagzeile „Sanitäter hält die Hand des sterbenden Opfers“ zeigte die Redaktion das Foto eines im Wrack eingeklemmten Mannes, welcher kurz nach der Bergung aus dem Auto starb. Zu sehen war auch ein Sanitäter, der sich um das Opfer kümmerte. Diese Darstellung eines Sterbenden – auch wenn im vorliegenden Fall sein Gesicht verpixelt war – ist mit dem Schutz der Menschenwürde nach Ziffer 1 des Pressekodex nicht vereinbar, entschied der Presserat. Auch mit Blick auf die Gefühle von Angehörigen des Opfers war die Darstellung zu beanstanden.

Foto von Mordopfer veröffentlicht

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen eines Verstoßes gegen den Opferschutz. Die Redaktion veröffentlichte in dem Beitrag „Sex-Sklavin (37) erstochen“ ein zunächst unverpixeltes Foto des Mordopfers. Dies verstößt gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Pressekodex, wonach die Identität von Opfern besonders zu schützen ist. Nur weil jemand Opfer eines Verbrechens wird, darf er nicht automatisch identifizierend in der Presse gezeigt werden. Der Artikel zeigte auch ein Foto des mutmaßlichen Täters, dessen Augenpartie lediglich mit einem Balken versehen war. Nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1 hätte die Redaktion auch ihn ausreichend anonymisieren müssen.

Opfer in Zusammenhang mit Drogengeschäften gebracht

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen Verstößen gegen den Persönlichkeits- sowie den Ehrschutz nach den Ziffern 8 und 9 des Pressekodex. In dem Beitrag „Die 4 Todes-Rätsel von Kalkar“ ging es um die Umstände eines Todesfalls, bei dem ein Mann aus dem Fenster gestürzt war. Die Redaktion stellte die Frage, ob der Mann auf der Flucht gestorben sei und ob Drogengeschäfte etwas damit zu tun hätten. Da es hierfür keine ausreichenden Anknüp-fungspunkte gab und die Redaktion zudem zahlreiche private Details über das Opfer veröf-fentliche, stellte der Presserat einen schweren Verstoß gegen den Pressekodex fest.

Verurteilte Apothekerin identifizierbar gemacht

BILD.DE erhielt eine Rüge für die identifizierende Berichterstattung über einen Strafprozess. Unter der Überschrift „Bewährung für die Apothekerin des Todes” berichtete die Redaktion über eine Apothekerin, die einer Schwangeren ein verunreinigtes Glukose-Präparat verkauft hatte, an dem diese und das Ungeborene gestorben waren. Die Redaktion nannte persönliche Details und zeigte ein nur mit Augenbalken versehenes Foto der Verurteilten, weiter nannte sie den Namen der Apotheke und zeigte diese mit Bild. Die identifizierende Berichterstattung verstößt gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.1 des Pressekodex. Hinzu kam, dass die Redaktion auch ein Foto des Ehemanns des Opfers nur mangelhaft verpixelt zeigte und damit gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.4 verstieß. Danach ist die identifizierende Berichterstattung über Angehörige von Opfern in der Regel unzulässig.

Foto von mutmaßlichem Täter gezeigt

BILD.DE wurde gerügt für die identifizierende Darstellung eines Tatverdächtigen. Unter der Überschrift „Um 20.10 Uhr hatten sie den Mädchen-Killer“ berichtete die Redaktion über die Festnahme eines unter Mordverdacht stehenden Mannes und zeigte dabei zwei Fotos, auf denen der mutmaßliche Täter erkennbar war. Ein öffentliches Interesse an einer identifizierbaren Darstellung war jedoch nach beendeter Fahndung nicht mehr gegeben. Die Redaktion verletzte damit die Ziffer 8, Richtlinie 8.1 des Pressekodex. Zudem war die Bezeichnung des Verdächtigen als „Killer” in der Überschrift vorverurteilend nach Ziffer 13 des Pressekodex.

Diskriminierung eines Fußballers

SPORTBILD.DE erhielt eine Rüge für eine Kolumne mit dem Titel „FC Bayern: Julian Nagelsmann muss Mathys Tel einbürgern“. Der Autor äußerte die Auffassung, dass der bei Bayern so erfolgreiche Stürmer für Deutschland spielen sollte und schrieb dazu: „Das Gute vorweg: Tel ist gar kein reinrassiger Franzose, seine Eltern stammen von der Karibik-Insel Guadeloupe, einem Übersee-Department.“ Die Redaktion hatte die Formulierung später geändert. Der Presserat sah in der ursprünglichen Äußerung aber eine rassistische Diskriminierung des Fußballers und stellte einen schweren Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex fest.

Keine Gelegenheit zur Stellungnahme für kritisierte Gutachterin

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE erhielt eine Rüge, weil sie einer Familiengutachterin keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. Unter den Überschriften „Marko muss sich behaupten“ und „Das Schicksal eines Trennungskindes: Professor zweifelt an Qualität des Gutachtens“ berichtete die Redaktion über ein familienrechtliches Verfahren. Die Kindsmutter und ein Gutachter kritisierten darin die namentlich genannte Gutachterin als nicht ausreichend qualifiziert und das von ihr erstellte Gutachten als mangelhaft. Die Redaktion erklärte gegenüber dem Presserat, sie habe die Betroffene nicht um eine Stellungnahme gebeten, da die Anfrage nur Alibicharakter gehabt hätte. Der Presserat sah darin einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die Redaktion hätte die Gutachterin zwingend mit den Vorwürfen konfrontieren müssen, da diese geeignet sind, ihre berufliche Existenz zu gefährden.

Kommentare über Politikerin verletzten deren Ehre

WELT.DE erhielt eine Rüge für ehrverletzende Leser-Kommentare unter einem Artikel über die Politikerin Carola Rackete. Unter der Überschrift „Geisterfahrt bei der politischen Führung - Ärger bei Linken über Carola Rackete” fanden sich abwertende Kommentare, die sich auf das Äußere Racketes und deren körperliche Merkmale bezogen. Die Redaktion löschte die abwertenden Kommentare trotz Kenntnis nicht. Der Presserat sah darin eine Ehrverletzung nach Ziffer 9 des Pressekodex. Nach Ziffer 2, Richtlinie 2.7 tragen Redaktionen Verantwortung auch für die von Nutzern beigesteuerten Inhalte.

Leserschaft Faltencreme empfohlen

Für einen schweren Verstoß gegen das Trennungsgebot von Werbung und Redaktion nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 des Pressekodex wurde die Zeitschrift TINA gerügt. Unter der Überschrift „Natürliche Power gegen Falten“ versprach die Redaktion: „Dank einer speziellen Anti-Aging-Pflanze sehen wir bald wieder um Jahre jünger aus.“ Der Artikel befasste sich sehr positiv mit einer genannten Faltencreme, ohne dass ein Alleinstellungsmerkmal für dieses Produkt erkennbar wäre. Die Produktnennung war daher nicht von öffentlichem Informationsinteresse und überschritt die Grenze zur Schleichwerbung deutlich.

Schleichwerbung für Schönheits-Behandlung

ABENDZEITUNG.DE wurde gerügt für einen Beitrag unter der Überschrift „Verena Kerth und Marc Terenzi: Für die Wiesn geht’s zum Beauty-Doc“. Der Artikel beschäftigte sich mit der Behandlung der beiden Prominenten bei einer Münchner Schönheitschirurgin. Die Behandlung durch die Ärztin und ein von ihr entwickeltes Produkt wurden ausführlich und positiv beschrieben. Zudem enthielt der Beitrag Hinweise auf eine Dirndl-Designerin und einen BH-Hersteller, für die Kerth zu Werbezwecken tätig ist. Die Grenze zur Schleichwerbung nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 Pressekodex wurde damit deutlich überschritten.

Statistik:

14 öffentliche Rügen, 18 Missbilligungen und 26 Hinweise. 43 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet, 1 Beschwerde war begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Insgesamt behandelt wurden 111 Beschwerden. Bei 9 Beschwerden handelte es sich um Einsprüche und Wiederaufnahmen.

Eine Liste der aktuellen Rügen finden Sie auf unserer Homepage:

https://www.presserat.de/ruegen-presse-uebersicht.html#2023

Zum Pressekodex:

https://www.presserat.de/pressekodex.html

Ansprechpartnerin für die Presse:

Sonja Volkmann-Schluck
Referentin Öffentlichkeitsarbeit

DEUTSCHER PRESSERAT
Fritschestraße 27-28, 10585 Berlin
Tel.: 030/367007-19
Fax: 030/367007-20 
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