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Interne Dokumente Wolf: Wie im Umweltministerium aus einem ungünstigen ein günstiger Erhaltungszustand Wolf gemacht wurde

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Berlin/Mainz (ots)

Im Bundesumweltministerium wurde - wie die ANCA [1] gestern meldete - die ursprünglich streng wissenschaftliche und mit den Experten der Bundesländer einvernehmlich gefundene Bewertung des Gefährdungszustands der Wolfspopulation in Deutschland durch politische Vorgaben entscheidend verändert - mit direkten Folgen für den offiziell gemeldeten "günstigen Erhaltungszustand" des Wolfs in der kontinentalen Region.

Bereits im ersten ANCA-Bericht [2] war ein interner Entwurf des Bundesamts für Naturschutz (BfN) öffentlich geworden, in dem der Wolf für Gesamtdeutschland als gefährdet eingestuft wurde - entgegen der späteren politischen Linie. Nun zeigt ein weiteres, bisher unveröffentlichtes Bewertungsdokument, wie zentrale Zahlen und Karten nachträglich politisch so "angepasst wurden", dass es dem Bundeslandwirtschaftsminister möglich ist, Wölfe in Deutschland fast flächendeckend zu bejagen.

Kernbefunde des neuen Berichts

  1. Habitatmodellierung ignoriert, Referenzfläche drastisch verkleinert Fachleute hatten auf Basis einer aufwendigen Habitatmodellierung ein "günstiges Verbreitungsgebiet" (FRR) von 166.600 bis 273.100 km² für den Wolf berechnet und den höheren Wert von 273.100 km² ausdrücklich bevorzugt, um die langfristige Überlebensfähigkeit der Art sicherzustellen. Ein Schreiben vom Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, ordnete jedoch an, diese modellierten Werte nicht als Referenz zu verwenden. [3] Stattdessen setzte er einen "referenzbasierten Ansatz" durch, der allein auf der aktuell von Wölfen besiedelten Fläche beruht.
  2. Günstiges Verbreitungsgebiet auf ein Drittel zusammengestrichen Als neue Referenz wurde die im Monitoring-Jahr 2023/24 tatsächlich besiedelte Fläche von 80.578 km² festgelegt. Damit schrumpft das "günstige Verbreitungsgebiet" auf weniger als ein Drittel der Spannbreite, die die Fachleute berechnet hatten. In den dazugehörigen Karten werden große Teile Süd- und Südwestdeutschlands - darunter Baden-Württemberg, weite Teile Bayerns, Hessen und Rheinland-Pfalz - nachträglich zu "nicht bevorzugtem" bzw. "ungeeignetem" Habitat erklärt, obwohl das ursprüngliche Modell dort geeignete Lebensräume ausgewiesen hatte.
  3. Wölfe besiedeln angeblich "ungeeignete" Räume - Realität widerspricht politischer Karte Besonders brisant: Gerade in den Regionen, die durch die neue Grenze aus dem "günstigen Verbreitungsgebiet" herausfallen, etablieren sich aktuell Wolfsrudel - etwa in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Dennoch werden diese Räume in der Bewertung als "nicht bevorzugt" abgestuft, was fachlich kaum zu rechtfertigen ist, politisch aber den Spielraum für Abschüsse vergrößert.
  4. Referenzpopulation unter Mindestwert gedrückt Im wissenschaftlichen Entwurf von BfN (Bundesamt für Naturschutz) und Länderfachleuten wird für die kontinentale Region eine günstige Referenzpopulation von 282 Rudeln und Paaren genannt - inklusive Sicherheitszuschlag, wie von der EU-Kommission gefordert. Eine ministerielle Sonderarbeitsgruppe senkt diesen Wert zunächst auf 232 Rudel/Paare ab, später wird er sogar auf 187 Rudel/Paare reduziert. Diese Zahl liegt unter der Mindestgröße einer überlebensfähigen Population (MVP). Die Absenkung wird im Dokument nicht nachvollziehbar begründet und verstößt gegen das Vorsorgeprinzip.
  5. Stagnierende Bestände, aber "Zunahme" im offiziellen Papier Während aktuelle Monitoring-Daten der DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf) und des BfN für das Wolfsjahr 2024/25 erstmals eine Stagnation der Territorien zeigen und in mehreren Regionen Rudel verschwinden bzw. Hinweise auf illegale Tötungen zunehmen, spricht das Dokument des Umweltministeriums weiterhin von "zunehmenden Beständen" und einer "tatsächlichen Verbesserung". Valide eigene Daten werden damit ausgeblendet oder einem politisch gewünschten Bild untergeordnet.

Politische Verantwortung über den Staatssekretär hinaus

Die Dokumente zeichnen ein heikles Bild für das Bundesumweltministerium: Ein streng wissenschaftlicher Prozess zur Festlegung von Referenzwerten wird im entscheidenden Moment durch eine Weisung aus dem Staatssekretariat übersteuert - mit direkten Folgen für den EU-Bericht nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie.

Zwar spielte Staatssekretär Jochen Flasbarth eine zentrale Rolle, doch endet die politische Verantwortung nicht dort. Letztlich verantwortet Bundesumweltminister Carsten Schneider den eingereichten Artikel 17-Bericht und die Linie des Hauses - und damit auch die Frage, warum wissenschaftliche Grundlagen im eigenen Ressort beiseitegeschoben wurden.

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Quellen [1]-[3] über Wildtierschutz Deutschland

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Über Wildtierschutz Deutschland e.V. (WTSD):

Wildtierschutz Deutschland in eine gemeinnützige Tier- und Naturschutzorganisation. Sie wurde 2011 gegründet und setzt sich seitdem für Wildtiere, ihre Lebensräume und für eine Änderung der nicht zeitgemäßen Jagdgesetzgebung ein. Mitglied der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT) und Mitbegründer des Aktionsbündnis Fuchs (ABF)

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