Alle Storys
Folgen
Keine Story von Schwäbische Zeitung mehr verpassen.

Schwäbische Zeitung

Schwäbische Zeitung: Leitartikel zum Tod von Helmut Schmidt: Tod eines großen Deutschen

Ravensburg (ots)

Bei vielen Jüngeren galt Helmut Schmidt als ein alter Herr, der in Talkshows mit Menthol-Zigarette im Mund über die Welt dozierte. Manche hörten zu, andere schalteten ab und bemerkten deshalb nicht, dass dieser Sozialdemokrat wirklich etwas zu erzählen und berichten hatte. Unbestreitbar ist, dass Schmidt wie kaum ein anderer die Fähigkeit besaß, komplexe Zusammenhänge schlüssig und spannend zu erklären.

Für die etwas älteren Bundesbürger, die jahrzehntelang in großer Mehrheit den Hanseaten bewunderten, repräsentierte der Altkanzler einen ganz wichtigen Teil der Bonner Republik. Weit über die Parteigrenzen hinaus wurde Schmidt geschätzt und wegen seines rhetorischen Talents (Spitzname: Schmidt-Schnauze) gefürchtet. Der fünfte Kanzler der Bundesrepublik war ein Macher, kein Visionär. Mit seiner Partei lag er häufig über Kreuz. Vielleicht suchte deshalb der glücklose Kanzlerkandidat Peer Steinbrück während des vergangenen Bundestagswahlkampfs die Nähe zu Schmidt.

Anders als Willy Brandt oder Gerhard Schröder war Schmidt nie SPD-Vorsitzender. Und Schmidt hatte gut daran getan, dieses Amt nicht anzustreben. Denn die Partei liebte Männer wie Brandt und nicht schneidige Technokraten, obgleich der Norddeutsche immer ein respektiertes SPD-Mitglied war.

Im Welterklären war er unerreicht, im Weltverändern nicht ganz so erfolgreich. Die Schmidtsche Kanzlerschaft von 1974 bis 1982 taugt nicht für die Kapitel ganz vorne in den Geschichtsbüchern. Die Regierungszeiten von Konrad Adenauer, Willy Brandt und auch Helmut Kohl waren da bestimmender. Die Ovationen, die ihm dennoch entgegenschlugen, erklären sich daraus, dass er sich nicht vor Verantwortung drückte, sondern sie unmissverständlich suchte. Das war bei der fürchterlichen Hamburger Sturmflut 1962 so und das änderte sich nicht, als in den 1970er-Jahren der linke Terror die Bundesrepublik herausforderte. Schmidt stand für Berechenbarkeit und Standhaftigkeit. Ein großer Deutscher ist gestorben.

Pressekontakt:

Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Original-Content von: Schwäbische Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Schwäbische Zeitung
Weitere Storys: Schwäbische Zeitung
  • 09.11.2015 – 21:11

    Schwäbische Zeitung: Die Machtprobe - Kommentar zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen

    Ravensburg (ots) - Noch ist es ein Mittelding zwischen Warnung und Machtprobe. Doch die Union gibt Angela Merkel ganz klar das Signal, dass in der Flüchtlingsfrage ein härterer Kurs gefragt ist, dass sie der Kanzlerin nicht mehr uneingeschränkt folgt. Nachdem Innenminister de Maizière eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen angehen will, und der mächtige Wolfgang ...

  • 09.11.2015 – 19:58

    Schwäbische Zeitung: Kein Schritt zur Aufklärung - Leitartikel zum Rücktritt Niersbachs

    Ravensburg (ots) - Eigentlich könnte ganz knapp formuliert werden: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist im Zuge der WM-Affäre 2006 zurückgetreten. Niersbach übernimmt die politische Verantwortung für Mutmaßungen, wie Deutschland durch Korruption den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft erhalten hat. Damit hat Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger sein ...

  • 08.11.2015 – 18:38

    Schwäbische Zeitung: Leitartikel zum Bologna-Prozess: Spezialisierung ist nicht alles

    Ravensburg (ots) - Durch den Bologna-Prozess hat sich die Hochschullandschaft grundlegend verändert. In fast allen Bereichen sind die traditionellen Abschlüsse Magister, Diplom und mitunter auch das Staatsexamen dem zweiteiligen Bachelor-Master-Konstrukt gewichen. Die Folgen zeigen sich immer deutlicher, und sie sind vielfach beklagenswert. Eine Hochschule ist ein ...