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Schwäbische Zeitung: Ein kluges Urteil aus Karlsruhe - Leitartikel

Leutkirch (ots)

Demokratie und Rechtsstaat können bisweilen anstrengend und umständlich sein. Das Bundesverfassungsgericht hat gestern ein Urteil gesprochen, dessen Notwendigkeit nicht sofort ins Auge sticht. Es ging um das Innenleben der Demokratie, genauer: um die Mechanismen, die in ihrer indirekten, repräsentativen Variante zu gelten haben. Ist das nicht eine Luxus-Diskussion? Handelt es sich nicht um eine theoretische Frage, die an den Ergebnissen der politischen Entscheidungsprozesse sowieso nichts ändert? Nein.

Was die Karlsruher Richter gestern verkündet haben, berührt den Wesenskern des politischen Systems, sein Machtgefüge. Denn dauerhaft kann Teilhabe in der Demokratie nur funktionieren, wenn sie auch angemessen ist. Ein Gremium von neun Abgeordneten, das stellvertretend für 620 Abgeordnete entscheidet, welche wiederum 80 Millionen Deutsche repräsentieren, das ist - salopp formuliert - schon ein arg kleines Häuflein. Und ein solches Konzentrat der Macht, so sehen es die Verfassungsrichter, ist prinzipiell nicht im Sinne des Erfinders.

Auf der anderen Seite trägt das Urteil aber der schlichten Tatsache Rechnung, dass das Regieren in einer immer komplizierteren Welt neue, flexiblere Reaktionsinstrumente benötigt. Die Euro-Krise ist dafür ein gutes Beispiel. Ohne Diskretion würden den Spekulanten im Einzelfall Ideen fürs schnelle Geschäft quasi frei Haus geliefert. Wo schon ein lautes Nachdenken politischer Akteure Milliardenbeträge in Bewegung setzen kann, verliert der Begriff des Mauschelns schnell den schalen Geschmack: Es wird zur einzigen Möglichkeit, vernünftig zu entscheiden - leider und ausnahmsweise.

Aber im Tenor des Urteils überwiegt dennoch eine deutliche Warnung: Die parlamentarischen Mitwirkungsrechte müssen grundsätzlich auch in heiklen politischen Lagen gelten - möglicherweise gerade dann. Die Zeiten, in denen per Notverordnung regiert wurde, waren dem Land auf Dauer gar nicht bekömmlich.

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