Kochtopf ohne Griff - Eintopf ohne Löffel: Ernährungsgipfel drückt sich um Probleme der Verteilung und des Handels
Friedrichsdorf, 05. Juni 2008 (ots)
Der Eintopf riecht vielversprechend und könnte viele satt machen, da die Köche neue Zutaten hineingetan haben - dummerweise wird den Hungernden aber nicht der Zeitpunkt des Essens mitgeteilt und die Löffel sind im Schrank eingeschlossen, damit nicht zu viele an den Tisch kommen. So stellt sich aus Sicht des Hilfswerks World Vision die bisher erkennbare Bilanz des Ernährungsgipfels in Rom dar. "Die Staaten haben sich im Prinzip zur Notwendigkeit einer Agrarwende und zur langfristigen Ernährungssicherung bekannt, wollen sich aber nicht auf Zeitpläne oder konkrete Maßnahmen gegen Handelshemmnisse oder gegen die Umwidmung von Nahrungsmitteln in Bioenergie festlegen", bedauert Helga Stamm-Berg, Ernährungsexpertin von World Vision Deutschland.
Aus der guten Analyse der jetzigen Nahrungskrise wurden nach Ansicht von World Vision nur teilweise die richtigen Schlüsse gezogen. Dem Appell der FAO zur stärkeren Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft haben sich die meisten Regierungen angeschlossen. "Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung ebenfalls diese Richtung einschlägt und in der Entwicklungszusammenarbeit Mittel dafür umschichten will", so Stamm-Berg. World Vision hat in eigenen Erhebungen bei ländlichen Haushalten allerdings festgestellt, dass deren Ernährungs- und Einkommensprobleme sehr vielschichtig sind.
Helga Stamm-Berg: "Durch die stärkere Förderung von Kooperativen könnten Kleinbauern beispielsweise besseren Zugang zu den sich verändernden Märkten bekommen. Die ärmsten Bauern, die auf gepachtetem Land wirtschaften müssen oder in unfruchtbare Berg- oder Trockengebiete verdrängt wurden, brauchen staatliche Unterstützung, um Umweltschäden entgegen zu wirken und wirtschaftlich produzieren zu können. Der Import subventionierter Lebensmittel aus Europa muss eingeschränkt werden, weil es lokalen Bauern im jetzigen System nicht gelingen kann, ihre Produktionskosten zu decken. Wenn man wie World Vision direkt in den Dörfern arbeitet, sieht man, dass die Maßnahmen ineinander greifen müssen." Darüber hinaus müssten die Geldgeber so flexibel sein, Übergänge zwischen Nothilfe und langfristiger Wirtschaftsförderung zu finanzieren.
Zum Umgang mit Biotreibstoffen und Klima-Veränderungen, aber auch zu faireren Handelsbedingungen konnten sich die Teilnehmer der FAO-Konferenz nicht auf gemeinsame Positionen verständigen. "Hier wird kostbare Zeit verspielt, die wir bei 850 Millionen Hungernden alle nicht haben", so Stamm-Berg.
Was werden Kinder wie die 12jährige Ndiouck Faye aus dem Senegal von dem Gipfel haben? Sie kann wegen der gestiegenen Nahrungsmittelpreise und schlechter Ernten seit diesem Jahr nicht mehr zur Schule gehen und bekommt oft nur eine Mahlzeit am Tag. Ihrer Mutter, einer Witwe, fehlt zur Zeit nicht nur Geld für Dünger, sondern schlicht ein Esel für die Feldarbeit und Schutz vor Dieben, denn den machtlosen Witwen wird in Notzeiten die letzte Ziege aus dem Stall gestohlen. "Wir haben von den Politikern zu wenig darüber gehört, wie Kinder vor Mangelernährung und Schullabruch bewahrt oder Frauen als Ernährer gestärkt werden sollen", bedauert Helga Stamm-Berg.
HINTERGRUND World Vision Deutschland e.V. ist ein christliches Hilfswerk mit den Arbeitsschwerpunkten nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Anwaltschaft. Im Finanzjahr 2007 wurden 227 Projekte in 50 Ländern durchgeführt. World Vision Deutschland ist Teil der weltweiten World Vision-Partnerschaft. World Vision unterhält offizielle Arbeitsbeziehungen zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und arbeitet eng mit dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammen. World Vision Deutschland ist Mitglied im Aktionsbündnis gegen AIDS und bei Aktion Deutschland Hilft. Weitere Infos unter www.worldvision.de
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