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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung zur deutschen Reaktion auf die NSA-Affäre

Regensburg (ots)

Im Visier von Freunden

Hinter dem USA-Ausspähprogramm stecken handfeste Sicherheitsinteressen. Auch Deutschland profitiert.

Die Empörung ist zu Recht riesengroß. Seit der Ex-Geheimdienst-Mitarbeiter Edward Snowden vor rund vier Wochen das gigantische geheime Ausspähprogramm öffentlich machte, hat das Verhältnis zu den USA einen Knacks wegbekommen. Ausgerechnet Deutschland, das sich doch seit Jahrzehnten zu den engsten Verbündeten der westlichen Supermacht zählt, wird nach allen Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnik ausgespäht, wie sonst nur "Schurkenstaaten" observiert werden. Ausspioniert von Freunden - das tut doppelt weh. Ja, wenn die NSA-Leute Syrien, Nord-Korea oder den Iran derart abfischten, wäre das wahrscheinlich gutgeheißen worden. Aber doch nicht der größte europäische Partner. Der Schock über das große Abhörprogramm ist auch ein kultureller. Und der Argwohn wird nur noch genährt durch immer neue Details. Dass nicht nur E-Mails, Facebook-Einträge, Twittermeldungen oder Telefonate sondern auch Briefe ausspioniert werden, gehört dazu. Doch hinter der großen Welle von Enttäuschung und Empörung wird kaum die Frage nach den Motiven und Hintergründen der großen Datenspionage gefragt. Aber davon gibt es eine ganze Menge. Etwa politische und historische. Die einstige Siegermacht USA hatten, wie die anderen Siegermächte Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion, allergrößtes Interesse an der absoluten Kontrolle des Nach-Kriegs-Deutschlands. Zum Besatzungsrecht und zur Besatzungspraxis gehörte das ausführliche Ausspähen von Post und Telefon, in West wie Ost des besiegten Landes. Die Crux ist, dass dieses Recht und diese Praxis selbst nach der wieder erlangten Souveränität Deutschlands 1990 im Nato-Recht fortgeschrieben wurden. Dass Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Co. heute so seltsam lau auf die Spionage im Datennetz reagieren, hat auch mit den gegenseitigen Verpflichtungen der Sicherheitsdienste zu tun. Und in der Berliner Regierung weiß man auch, dass die zum Glück in Deutschland vereitelten Anschläge von Terroristen auf "Tipps" befreundeter Dienste zurückgingen. Im Grunde betreiben die USA für Deutschland eine Art Vorratsdatenspeicherung. Denn auch die Sicherheit der Bundesrepublik hat mit Ergebnissen von rechtlich fragwürdigen Recherchemethoden von US-Diensten zu tun. Ob der Zweck, etwa der Schutz vor Anschlägen, die anrüchigen geheimdienstlichen Mittel heiligt, wird in Deutschland dagegen so gut wie nicht diskutiert. Es überwiegt die abgrundtiefe Empörung. Doch das ist freilich ziemlich wohlfeil. Zumal in Wahlkampfzeiten, wo einfache Botschaften Konjunktur haben, wo nur Schwarz oder Weiß gezeichnet wird, statt auch Zwischentöne zu beachten. Man kann und muss über das Misstrauen der US-Behörden gegenüber Deutschland empört sein - es hat allerdings einen realen Kern: Einige der Attentäter des 11. September 2001 hatten sich in Deutschland, unbemerkt und unbehelligt von den Sicherheitsdiensten, auf den Mörderjob vorbereitet. Man kann und man muss die ziemlich maßlosen Ausspähaktionen der US-Dienste verurteilen. Aber unter wirklichen Freunden muss auch offen darüber geredet werden. Zwischen Berlin und Washington ist viel Vertrauen auf der Strecke geblieben. Das muss wiederhergestellt werden. Nicht nur unserer gemeinsamen Werte wegen, sondern auch, weil etwa ohne Vertrauen Europa mit den USA kein vernünftiges Freihandelsabkommen abschließen kann.

Von Reinhard Zweigler, MZ

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