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++ Audio | BUND zum Stresstest ++

O-Ton (Audio) vom 06. September 2022

Audio | BUND zum Stresstest

Die Atom-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Angela Wolff, im Gespräch mit BUND-Redakteur Noah Wankner über die Veröffentlichung des Stresstests durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) (Interview: 5:36 Minuten):

Anmoderationsvorschlag: Eigentlich sollten dieses Jahr die letzten drei verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Vor dem Hintergrund einer befürchteten Stromknappheit ist allerdings die Debatte entflammt, die Laufzeit der Kraftwerke doch noch bis ins nächste Jahr zu verlängern. Um eine wissenschaftliche Grundlage für diese Entscheidung zu schaffen, wurde ein Stresstest durchgeführt, bei dem die Worst-Case-Szenarien für den kommenden Winter durchgespielt wurden. Zum Ergebnis des Stresstests und was das für die geplante Laufzeitverlängerung bedeutet, spreche ich heute mit Angela Wolff vom Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND.

Sprecher: Frau Wolff, wie genau sah dieser Stresstest aus? Was wurde da getestet?

O-Ton 1 (Angela Wolff, 1:04 min): "Also die vier Übertragungsnetzbetreiber haben sich das deutsche Stromnetz angeschaut und auch im Zusammenhang mit dem europäischen Stromdesign und haben sich dann mit Worst-Case-Szenarien ausgemalt, wie denn der kommende Winter aussehen könnte. Also wie steht es um unsere Versorgungssicherheit? Wie sicher ist die Netzstabilität? Könnte es sein, dass eine Strommangellage entsteht? Oder dass es zu Stromausfällen kommt, weil die Netzstabilität nicht mehr gewährleistet ist?

Dann haben sie noch geschaut, inwieweit Atomkraftwerke dabei eine Rolle spielen. Genau genommen die drei, die noch am Netz sind bis zum 31. Dezember. Dann sollten sie laut Atomgesetz abgeschaltet werden. Und sie haben dann den Auftrag gehabt zu schauen, welche Rolle spielt dieses Abschalten und welche Rolle würde es spielen, wenn man sie doch noch den gesamten Winter über, also noch einige Monate in 2023 laufen lassen würde."

Sprecher: Und was ist nun das Ergebnis dieses Stresstests?

O-Ton 2 (Angela Wolff, 0:88 min): "Das Ergebnis des Stresstests ist erst mal, dass wir in Deutschland eine hohe Versorgungssicherheit haben und auch eine hohe Netzstabilität. Also dass erst mal keine Gefahren lauern. Aber dennoch ist es so, dass wir natürlich in einer Zeit leben, in der gerade die Energieversorgung recht unsicher ist. Und ein weiteres Ergebnis ist aber auch, dass die Atomkraftwerke darauf keinen wesentlichen Einfluss haben. Also weder am Netz, noch wenn sie nicht mehr am Netz sind. Und deshalb spielen Atomkraftwerke eigentlich für unsere Energiekrise keine Rolle, weder für den Strompreis noch für die Gasmangellage und auch nicht für die Stromnetzstabilität. Insofern sind sie verzichtbar."

Sprecher: Wie hat nun das Wirtschaftsministerium über die Laufzeitverlängerung entschieden?

O-Ton 2 (Angela Wolff, 0:87 min): "Also obwohl wir die AKW eigentlich nicht mehr brauchen, obwohl sie keine besondere Rolle spielen, hat das Wirtschaftsministerium jetzt beschlossen, dass zwei der drei noch laufenden AKW in Reserve gehalten werden. Das heißt die Atomkraftwerke Neckarwestheim 2 und Isar 2 werden zwar abgeschaltet am 31. Dezember, aber sie können jederzeit bis April nächsten Jahres wieder hochgefahren werden. Und das tritt ein, wenn ein sogenannter Notfall ansteht.

Es sind relativ hohe Hürden gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das passiert. Aber theoretisch ist es möglich, dass die Kraftwerke weiterlaufen, trotz Atomausstieg. Und dazu wären auch Gesetzesänderungen nötig."

Sprecher: Wie ordnen Sie den Plan des Wirtschaftsministeriums ein?

O-Ton 3 (Angela Wolff, 2:09 min): "Also der geringe Nutzen, der aus einem Weiterbetrieb oder einem Notfallbetrieb dieser Kraftwerke resultieren würde, steht in keinem Verhältnis zu den Kosten. Ein großes Problem ist beispielsweise, dass alle noch laufenden Atomkraftwerke keine gültigen Sicherheitsnachweise haben. Also Kraftwerke müssen alle zehn Jahre nach EU-Recht auf Herz und Nieren untersucht werden und das sind sehr aufwendige und langwierige Untersuchungen.

Und die wurden ausgesetzt mit Blick auf den Atomausstieg, den nahenden. Und das ist ein Problem, weil wir gar nicht genau wissen, wie es um die Sicherheit der Kraftwerke bestellt ist. Und das sehen wir jetzt gerade in Frankreich, wo die Hälfte der Reaktorflotte maßgeblich deshalb stillsteht, weil festgestellt wurde, dass Korrosionen aufgetreten sind, die letztlich zum Supergau führen könnten.

Und in Deutschland fahren wir die Kraftwerke quasi im Blindflug und wissen nicht, wie es um das Innere bestellt ist. Und das jetzt weiter fortzusetzen, das ist absolut verantwortungslos. Egal ob das eine Reserve ist oder ob das jetzt der Streckbetrieb ist, das spielt keine Rolle. Die dürfen keinen Tag länger am Netz bleiben, weil es jetzt schon viel zu riskant ist.

Also, mit dieser Entscheidung für den Reserve Betrieb bleibt natürlich die politische Debatte auch weiter am köcheln. Das heißt, FDP und CDU und CSU stehen schon bereit und fordern, dass jetzt neue Brennstäbe bestellt werden und dass der Weiterbetrieb über mehrere Jahre fortgeführt wird. Und das lenkt komplett von den Maßnahmen ab, die jetzt eigentlich notwendig sind. Das heißt, wir müssen die Energiewende vorantreiben, wir brauchen effiziente und konsequente Maßnahmen für das Energiesparen. Und wir müssen einfach die Transformation des Energiesektors einleiten. Und wenn wir jetzt immer weiter über Atomkraftwerke, über Streckbetrieb und Brennstäbe diskutieren, dann kommen wir da keinen Schritt vorwärts."

Sprecher (Abmoderationsvorschlag): Das war Angela Wolff vom Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wolff.

O-Ton 3 (Angela Wolff, 0:01 min): "Ja, danke auch."

Der O-Ton (Audio) mit Transkript als Download: http://www.bund.net/stresstest-interview

Gesamtdauer Interview: 5:36 Minuten.

Alle O-Töne des BUND können Sie als mp3-Datei herunterladen, bearbeiten und lizenzfrei für Medienberichte verwenden.

Weitere Informationen und Bildmaterial zum Thema finden Sie unter:

Faktenblatt zu den Risiken einer Laufzeitverlängerung: www.bund.net/laufzeitverlaengerung

Wissenschaftliche Untersuchung zu den Risiken einer Laufzeitverlängerung: www.bund.net/risiken-laufzeitverlaengerung

Kontakt:

Angela Wolff, BUND-Expertin für Energiepolitik, Klima und Atom, Tel.: 030 27586 562, E-Mail: angela.wolff@bund.net

BUND-Pressestelle:

Sigrid Wolff | Daniel Jahn | Clara Billen | Lara Dalbudak

Tel. 030-27586-497 |-531 |-464 |-425 | E-Mail: presse@bund.net, www.bund.net

Informationen zur Datenverarbeitung des BUND nach DSGVO finden Sie unter www.bund.net/datenschutz

Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V., Petra Kirberger (v.i.S.d.P.), Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin

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