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World Vision Deutschland e.V.

Weltaidstag: 25 Millionen Aids-Waisen im Jahr 2010
Hilfswerk WORLD VISION warnt vor dieser weithin unbeachteten Herausforderung

Friedrichsdorf (ots)

Die Zahl der durch Aids zu Waisen
gewordenen Kinder1 wird bis zum Jahr 2010 weltweit auf
voraussichtlich 25 Millionen ansteigen. Das geht aus einer von
UNAIDS, UNICEF und USAID gemeinsam herausgegebenen Studie hervor. Mit
diesem Zuwachs wird sich die Zahl der Aids-Waisen innerhalb von einem
Jahrzehnt nahezu verdoppeln und entspricht damit der Einwohnerzahl
von Belgien und den Niederlanden. Allein auf Afrika fallen 20
Millionen. Viele dieser Kinder werden keine erwachsenen Betreuer
haben, die sich um sie kümmern. WORLD VISION will dieser
Herausforderung mit sozialen Programmen begegnen.
Sie gelten schon heute als die verlorene Generation: die Mädchen
und Jungen, denen HIV/Aids die Mutter und/oder den Vater raubt und
das soziale Gefüge nachhaltig zerstört. "Etwa alle 15 Sekunden
verliert ein weiteres Kind einen oder beide Elternteile", sagt Marwin
Meier, HIV/Aids-Referent von WORLD VISION Deutschland. "Umso
erschreckender ist es, dass das Schicksal dieser Jungen und Mädchen
in der Diskussion um die tödliche Immunschwäche noch immer kaum
Beachtung findet." WORLD VISION appelliert daher an die Regierungen
der Geberländer, die Bedürfnisse der von HIV/Aids betroffenen Kinder
stärker als bisher zu berücksichtigen.
Besonders betroffen sind junge Mädchen. Nicht wenige von ihnen
sind durch den Verlust der Eltern gezwungen, die Haushaltsführung zu
übernehmen, um das eigene Überleben und das der Geschwister zu
sichern. Für einen Schulbesuch bleibt meist weder Zeit noch Geld.
Auch der Zugang zu Jobs wird ihnen aufgrund ihrer gesellschaftlichen
Stellung häufig verwehrt. Allzu schnell geraten sie so in einen
Teufelskreis aus Armut und Unwissenheit, der sie häufig auf die
Straße und in die Prostitution treibt, wo sie Gefahr laufen, sich
selbst mit dem Tod bringenden Virus zu infizieren. Körperliche, aber
auch zahlreiche soziale und emotionale Leiden wie Ausbeutung, Gewalt
und Diskriminierung bis hin zu gesellschaftlicher Isolation sind die
Folge.
Um diesen Kreislauf zu durchbrechen und den Kindern ein
menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, wird WORLD VISION bis zu 15%
der Projektbudgets in Afrika zur Aids-Aufklärung und zur Betreuung
von Aids-Waisen, HIV-Infizierten und Aids-Erkrankten bereit stellen.
Die Dorfgemeinschaften, in denen die Kinder leben, sollen in die Lage
versetzt werden, aktiv Verantwortung für diese Kinder zu übernehmen.
Ein Beispiel ist das Kleinkreditprogramm von WORLD VISION Deutschland
in Karonga im Norden Malawis, in dem Kleingewerbeförderung mit
HIV/Aids-Aufklärung verknüpft wird.
Für Interviews und Informationen zum Thema HIV/Aids in Afrika
steht Robert Michel, unser Kollege aus Südafrika, zur Verfügung, der
sich noch bis Ende der Woche in Deutschland aufhält.
(1)  Bis 14 Jahren.
REPORTAGE
"Ich bin Prostituierte, um zu überleben - und irgendwann an Aids
zu sterben"
"Statt zu verhungern, werden wir an AIDS sterben", sagt Marie mit
erhobener Stimme, um die laute Musik zu übertönen, die durch das
kleine, armselige Bordell in Ruandas Hauptstadt Kigali schallt. Marie
ist AIDS-Waise. Mit ihren 18 Jahren muss sie allein für vier jüngeren
Brüder und Schwestern sorgen - und für das eigene Baby, das sie durch
ihre Arbeit als Prostituierte bekommen hat.
"Wie soll ich sonst überleben?", antwortet sie auf die Frage,
warum sie diesen gefährlichen Job ausübt. Dann fügt sie fast stolz
hinzu: "Wenigstens haben meine Geschwister etwas zu essen und können
zur Schule gehen, weil ich hier arbeite."
Durch die rasche Ausbreitung von HIV/Aids entstehen in Ruanda
jedes Jahr Tausende neuer Familien von Aids-Waisen. Vier von fünf
Todesfällen in Ruanda sind durch Aids verursacht, schätzt
Gesundheitsminister Hesekiel Ruabuhihi. Damit gehört sein Land zu den
Top-12 der am meisten betroffenen Länder Afrikas.
Wenn die Eltern sterben, müssen die hinterbliebenen Kinder selbst
Geld verdienen, um das Überleben der Familie zu sichern. Essen, Miete
und Schulgeld wollen bezahlt sein. Eine staatliche Absicherung gibt
es nicht. Ruandas Wirtschaft scheint sich zwar relativ schnell von
den Zerstörungen des Krieges zu erholen - doch für mehrere
Hunderttausend Waisen in Ruanda ist das Leben ein harter Kampf ums
tägliche Überleben.
"Für ein Mädchen ist es enorm schwer, einen regulären Job zu
finden", sagt auch Claudine, 22, die von den etwa 15 Mädchen des
Bordells als eine Art Sprecherin angesehen wird. "Früher ging ich zur
Schule, und mir das bezahlt wurde. Diese Person ist aber leider
gestorben, und meine Eltern waren zu arm und krank, um mir zu helfen.
Als auch meine Eltern starben, waren meine Verwandten nicht in der
Lage, für uns zu sorgen", sagt sie. Claudine lernte damals eine
andere Waise kennen, die ebenfalls für ihre Geschwister zu sorgen
hatte und die ihr erzählte, wie man "auf der Straße" gutes Geld
verdienen könne.
"Jetzt kann ich meinen Brüdern und Schwestern den Schulbesuch
bezahlen. Ich bin nicht glücklich über diese Arbeit und dieses Leben,
aber wenigstens werden meine Geschwister eines Tages die Möglichkeit
haben, auf ehrliche und anständige Weise Geld zu verdienen."
Jedes der Mädchen hat wie Claudine eine eigene Geschichte, die
eine tragische Abwärtsspirale in Gang gesetzt hat. Eine junge
Prostituierte hatte zuvor als Hausmädchen bei drei verschiedenen
Familien gearbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden. Ein anderes
Mädchen war nach dem Völkermord das einzig überlebende
Familienmitglied und versuchte verzweifelt, allein das Stück Land der
Familie zu bewirtschaften. Geringe Ernten und mangelndes Wissen
ließen diesen Versuch jedoch scheitern, so dass das damals
zehnjährige Mädchen schließlich in die Stadt ging, um dort Arbeit zu
finden.
Glücklich schätzen sich diese alleinstehenden Mädchen, wenn sie in
einer Woche 20 Dollar durch ihre Arbeit als Prostituierte verdienen.
Oft ist es aber weit weniger, und das Geld reicht gerade mal für's
Essen. Sie berichten von Schlägen und Demütigungen, von Krankheiten -
und von der ständigen Angst vor Aids.
Obwohl die Mädchen ihre Arbeit eigentlich nur mit Kondomen tun
wollen, hat fast jedes Mädchen bereits mindestens ein Kind bekommen.
Sie haben nicht genug Durchsetzungsvermögen, um von ihren Kunden
Kondome zu fordern.
Alle träumen von einem anderen Leben.
Geschlechtskrankheiten bringen sie nur tiefer in den Teufelskreis
von Verzweiflung und Abhängigkeit. Claudine zum Beispiel war in den
anderthalb Jahren, die sie im Bordell arbeitet, zwei Mal krank und
musste sich von ihren Kolleginnen Geld für die Behandlung borgen. Für
die Rückzahlung ging das Einkommen mehrerer Monate drauf.
Einige Mädchen wissen, dass sie bereits HIV-infiziert sind. Doch
in ihrer Verzweiflung arbeiten sie unvermindert weiter. So verbreiten
sie nicht nur das Virus, sondern verkürzen auch die wenigen ihnen
noch verbleibenden Jahre bis zum Ausbruch der Krankheit.
Doch Hunger und Heimatlosigkeit erscheinen den Mädchen
bedrohlicher als Aids. In Gesprächen kommen sie schnell auf die
brutale, irrationale Gewalt zu sprechen, die sie bei ihrer Arbeit
täglich befürchten müssen. Eine Art Gruppen-Macht gibt ihnen offenbar
ein wenig Kraft und Schutz vor dem Missbrauch. "Gemeinsam haben wir
beschlossen, nicht mehr zu Männern nach Hause zu gehen", sagt
Jacqueline, 20 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern. "Wenn wir erst
dort sind, sind wir den Wünschen unserer Kunden ausgeliefert. Sie
haben uns geschlagen, Kondome verweigert und uns sogar Mord
angedroht, falls wir nicht tun, was sie wollen", ergänzt sie. Trotz
der Vorsichtsmaßnahme, im Bordell zu bleiben, sind Schläge an der
Tagesordnung, und manchmal bleiben gebrochene Glieder zurück.
"Ich habe ein Kind. Deshalb kann ich nicht einfach weglaufen, auch
wenn mich ein Mann schlägt", sagt die 18-jährige Sandra, während sie
ihr zwei Monate altes Baby stillt. Angelique war als Hausmädchen
beschäftigt, als sie von einem Freund der Familie, für die sie
arbeitet, schwanger wurde. Während der Mann Kigali umgehend für eine
Geschäftsreise verlies, verlor Angelique ihren Job und ihr Zuhause.
"Noch während meiner Schwangerschaft begann ich, als Prostituierte zu
arbeiten. Wie sonst wäre ich zu Geld gekommen, um mein Baby und mich
zu ernähren und unsere Miete zu zahlen?"
Traurig blickt Angelique auf ihre kleine Tochter. "Es ist schwer
zu beschreiben, wie hart dieser Job ist. Ich habe schreckliche Angst,
mich mit dem HI-Virus zu infizieren. Und ich hasse die Männer, die
uns schlagen."
Immer wieder suchen die Mädchen nach Alternativen. Sehnsüchtig
sprechen sie von ihrem Traum, in die Schule zurückzukehren und ihren
Abschluss nachzuholen. Sie alle haben Geschäftsideen: Kleider wollen
sie verkaufen, Gemüse oder Kohle - alles, nur nicht sich selbst. Doch
sie wissen, dass diese Träume mit dem Tod ihrer Eltern gestorben
sind.
In den letzen zwei Jahren hat das christliche Hilfswerk World
Vision mehr als 200 kindgeführten Haushalten in Kigali eine
Berufsausbildung als Schneider, Handwerker, Klempner oder Friseuse
ermöglicht und damit vielen Aidswaisen einen Ausweg aus ihrer
scheinbar hoffnungslosen Situation eröffnet. Begleitend dazu bieten
Sozialarbeiter Beratungs- und Betreuungsdienste an.
Der Mehrzahl der Kinder jedoch bleibt diese Möglichkeit noch immer
verwehrt. In ihrer Verzweiflung wenden sie sich anderen Formen des
Broterwerbs zu. "Ich bin Prostituierte, um zu überleben," sagt
Claudine. "Doch wenn ich weiter als Prostituierte arbeite, werde ich
irgendwann an Aids sterben."
Claudine weiß: Aus eigener Kraft wird sie keinen Ausweg aus ihrer
Situation finden. Deshalb hofft sie auf die Hilfe anderer Menschen.
Menschen mit einem guten Herz, die ihr und ihren Kolleginnen helfen,
ein neues Leben aufzubauen. "Dann können diejenigen, die nicht
bereits mit dem tödlichen Virus infiziert sind, überleben. Und
diejenigen, die schon krank sind, können länger am Leben bleiben."
Alison Preston
Kontakt
Mit Fragen und Anregungen wenden Sie sich an Barbara Neubauer
(Tel.: 06172-763 154 oder 0162-9074153) oder Kurt Bangert (Tel.
06172-763 150 oder 0172-2127738). Auf Anfrage stellen wir Ihnen gerne
erstklassiges Bildmaterial zur Verfügung.
Hintergrund
WORLD VISION Deutschland e.V. ist ein überkonfessionelles,
christliches Hilfswerk mit den Arbeitsschwerpunkten langfristige
Entwicklungshilfe und humanitäre Nothilfe. Mehr als 100 Projekte
werden momentan in 36 Ländern durchgeführt. WORLD VISION Deutschland
ist Teil der weltweiten WORLD VISION-Partnerschaft mit rund 14.000
Mitarbeitern in fast 100 Ländern. WORLD VISION unterhält offizielle
Arbeitsbeziehungen zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem
Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und arbeitet eng mit
dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammen.
WORLD VISION ist der weltweit größte Verteiler von Lebensmitteln im
Auftrag des Welternährungsprogrammes (WFP). Weitere Informationen
finden Sie im Internet http://www.worldvision.de
WORLD VISION Deutschland e.V.
Tel.: ++49 (0) 6172 763-150
Fax:  ++49 (0) 6172 763 270
E-Mail:  kurt_bangert@wvi.org
www.worldvision.de

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