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In Trümmern
Kommentar von Jens Kleindienst zum deutsch-russischen Verhältnis

Mainz (ots)

Zu den Grundsätzen deutscher Außenpolitik gehörte in den vergangenen Jahrzehnten das Streben nach einem auskömmlichen oder gar partnerschaftlichen Verhältnis mit Russland. Das reicht zurück zur Entspannungspolitik Willy Brandts ("Wandel durch Annäherung") in den Siebzigern, die die Welt damals sicherer gemacht hat. 1989/90 schien die segensreiche Rolle Michail Gorbatschows bei der internationalen Begleitung des deutschen Einigungsprozesses die Richtigkeit dieser Politik spektakulär zu bestätigen. Und auch wenn das Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Jahre stark abkühlte, blieb doch bis in die Gegenwart die Überzeugung (oder war es eher die Hoffnung?), mit Russland könne man verlässlich Politik machen und einen fairen Interessenausgleich erreichen. Nicht zuletzt die engen wirtschaftlichen Verflechtungen im Energiesektor belegen das. Die feste Verankerung Deutschlands im Westen war dabei nie ein Hindernis, eher bildete sie sogar das Fundament für diesen außenpolitischen Sonderweg. Und mit Parteipolitik hatte das Ganze auch nicht unbedingt etwas zu tun. Nicht nur Bundeskanzler Gerhard Schröder war ein gutes Verhältnis zu Russland und seiner politischen Führung ein zentrales Anliegen, seine Nachfolgerin Angela Merkel setzte diese Politik fort, allerdings ohne sich später von Putins Gas-Millionen kaufen zu lassen. Das alles ist seit Montag vorbei. Nicht nur das Minsker Abkommen hat Putin zertrümmert, sondern auch die deutsche Russlandpolitik. Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob er damit einen epochalen deutschen Irrtum ins Schaufenster der Weltpolitik gestellt hat oder ob eine über Jahrzehnte bewährte Politik nun an ihr zumindest vorläufiges Ende gekommen ist. Auf jeden Fall muss sich Deutschland neu orientieren. Die klaren Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock geben den Ton vor. Zumindest kurzfristig hat sich das Prinzip erledigt, gemeinsam und kooperativ mit Russland für Sicherheit und Frieden zu sorgen. Solange Putin die Geschicke seines Reiches lenkt, hilft allein entschlossenes Gegenhalten. Für eine eigene Russlandpolitik ist jetzt kein Platz mehr, Deutschland hat sich einzureihen in die Phalanx aus Nato und EU. Dazu kommt die dringende Aufgabe, die energetische Abhängigkeit von Russland rasch zu überwinden. Das sind düstere Perspektiven und große Herausforderungen. Wohlgemerkt: Niemand spricht von militärischen Aktionen gegen Russland, doch sind wir von einem auskömmlichen Miteinander in Europa so weit entfernt wie seit Jahrzehnten nicht.

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