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Wo ist Scholz?
Russland bedroht die Ukraine und will die Machtbalance in Europa verschieben. Dennoch findet die deutsche Regierung dazu keine klare Haltung. Der Bundeskanzler ist abgetaucht.

Regensburg (ots)

Der Eklat um den Marine-Inspekteur Kay-Achim Schönbach war nur eines von vielen Beispielen, an denen sichtbar wurde, dass die Bundesregierung partout keine Linie im Umgang mit Russland findet. Der Vizeadmiral, einer der ranghöchsten deutschen Militärs, hatte allen Ernstes behauptet, eine russische Invasion in der Ukraine sei "Nonsens". Es dauerte fast zwei Tage, bis sich die Bundesregierung endlich zu einem offiziellen Kommentar dazu aufraffte. Er lautete: "Das ist nicht die Haltung der Bundesregierung, und die Bundesregierung hat eine klare Haltung, insbesondere (...) was das internationale Recht und die Achtung des internationalen Rechts angeht."

Nur: Wie sieht sie aus, die angeblich klare Haltung gegenüber Russland und Putin? Obschon die Entgleisung des Vizeadmirals in der ganzen westlichen Welt Zweifel am Bündnispartner Deutschland weckte, konnte sich Scholz bis heute nicht dazu aufraffen, endlich Farbe zu bekennen. Was hindert ihn daran, zu sagen, was er vom Aufmarsch der russischen Truppen an der Ukraine-Grenze hält und wie er zu Putin steht?

Seit Wochen warten das Land und eigentlich die ganze Welt darauf, dass der Kanzler endlich das Spielfeld betritt und die Rolle einnimmt, die ihm zukommt. Doch Scholz ist abgetaucht. Entweder sagt er zum möglichen Krieg und Russlands Gebaren nichts, oder er flüchtet sich in Phrasen. Dabei steht Scholz selbst nicht im Verdacht, zur Riege der Putin-Versteher zu zählen. Das Problem ist seine Partei. Zahlreiche Sozialdemokraten, darunter auch führende Köpfe, meiden es, Putins Feindseligkeit gegenüber dem Nachbarland zu verurteilen. Die Verzerrung der Realität nimmt mitunter sogar skurrile Züge an. So äußerte Fraktionschef Rolf Mützenich in diversen Interviews einfühlsam Verständnis dafür, dass Russland sich vom Westen bedroht fühle. Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner verurteilte auf Twitter Kommentare, die sich seiner Ansicht nach allzu kritisch mit Putins Rolle auseinandersetzen. Darin erkenne er, so Stegner wörtlich, "den Ton des Kalten Krieges". Den Vogel schoss vergangene Woche schließlich Altkanzler Gerhard Schröder ab. Er ergriff für Putin Partei, indem er allen Ernstes der Ukraine Säbelrasseln vorwarf.

Nun weiß man, dass Schröder sich von Putin als Aufsichtsrat staatlicher russischer Energiekonzerne bezahlen lässt. Aber er war in seinem früheren Leben schließlich lange Jahre Deutschlands Regierungschef. Und ein Kanzler a.D. ist nie so ganz Privatier. Dabei weiß man vom aktuellen Bundeskanzler, dass er Schröders Lobbyarbeit für den russischen Autokraten alles andere als hilfreich findet. Aber Scholz ist nicht stark genug, um dem Altkanzler Einhalt zu gebieten. Auch deshalb, weil Schröder genau weiß, dass viele SPD-Granden mit ihm in Sachen Russland auf einer Linie liegen.

Führung vermisst man auch im Umgang mit der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte jüngst, die Pipeline aus dem Konflikt um den russischen Truppenaufmarsch herauszuhalten, was zu Recht für Kopfschütteln bei den Bündnispartnern sorgte. Vermutlich fühlte sich Kühnert von Scholz sogar noch ermutigt. Schließlich hatte der Kanzler höchstselbst Nord Stream 2 vor kurzem als ein privatwirtschaftliches Projekt bezeichnet. Geht es noch nebulöser?

So macht sich die Partei des Kanzlers, ob gewollt oder nicht, zu Putins Handlanger. Die Geneigtheit gegenüber dem russischen Autokraten hat in der SPD Tradition. Vor ein paar Jahren ließ es sich der damalige Außenminister Sigmar Gabriel nicht nehmen, Putin bei einem offiziellen Treffen um ein Autogramm für eine Kollegin seiner Frau zu bitten. Dem Vernehmen nach war es Gabriel nicht einmal peinlich.

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