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Überspannte Triebfedern
Von Jana Wolf

Regensburg (ots)

Wieder Schläge und fliegende Flaschen, wieder zertrümmerte Scheiben und sinnlose Verwüstung, wieder verletzte Polizisten und duzende festgenommene Randalierer - die Krawalle auf dem Frankfurter Opernplatz von der Nacht auf Sonntag machen betroffen. Nach den jüngsten Ausschreitungen von Stuttgart ist es nun schon das dritte Mal innerhalb weniger Wochen, dass eine deutsche Innenstadt nachts vom Party-Pflaster zum Schauplatz von Gewalt wird. Dabei ist die Party natürlich nur der Anlass, aber keineswegs die Ursache für das hässliche Wüten. Aufgestaute Emotionen, Feindseligkeit, Frust, fehlgelaufene Integration, soziale Missstände - was ist die Triebfeder hinter der Eskalation? Das muss jetzt aufgeklärt werden. Aber klar ist schon: Die Gewalt hat sich erneut an Polizisten entladen, obwohl diese eigentlich einen eskalierten Streit in einer aufgeheizten Menge schlichten und damit ihre Arbeit und Pflicht erfüllen wollten. Stattdessen gerieten sie selbst in den Fokus. Frankfurt, Stuttgart, Hamburg, Berlin - die Liste ist zu lang. In Frankfurt steht die Aufklärung noch am Anfang. Ermittelt werden muss nun, was die Triebfeder zum Überspannen brachte und welche tieferen Ursachen zu den Krawallen führten. An einer ersten öffentlichen Äußerung des Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill vom Sonntag, Tag 1 nach den Krawallen, lässt sich erkennen, dass eine Sache aus Stuttgart bereits gelernt wurde: Die Hintergründe werden klarer benannt. War in Stuttgart noch verschleiernd von einer Partyszene die Rede, hat Bereswill in Frankfurt nun klar benannt, dass es sich bei den Randalierern "vorwiegend um Männer mit Migrationshintergrund" gehandelt habe. Diese Erkenntnis wird größere, unbequeme Fragen nach sich ziehen. Trotzdem: Sie muss klar benannt werden und die Fälle ehrlich aufgeklärt werden. Was hat sich hier aufgestaut? Liegt es an misslungener Integration? Aus welchen sozialen Verhältnissen kommen die Gewalttätigen? Wurden sie und ihre Probleme zu lange ignoriert? Wo sollen unausgeglichene Jugendliche sich austoben, wenn Clubs geschlossen sind und das soziale Leben streckenweise zum Erliegen kam? All diese Fragen drängen sich auf. Umso ernüchternder ist es, wenn sie von politischer Seite umschifft werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer lenkte die Debatte nach Stuttgart auf einen Nebenschauplatz - ganz so, ob sich derartige Ausschreitungen auf eine einzelne missratene Kolumne zurückführen ließen. Mitnichten. Auch die in Folge der Krawalle verhängte Sperrstunde auf dem Frankfurter Opernplatz packt das Problem nicht an der Wurzel an, sondern verlagert es im schlimmsten Fall nur an einen anderen Ort. Die politischen Antworten müssen tiefer greifen. Man kann den Eindruck gewinnen, dass es eine Scheu gibt, die Probleme offen anzugehen. Zu aufgeheizt ist die Debatte. Denn zur gleichen Zeit wird auch über Gewalt durch Polizisten gestritten. Angestoßen durch Demonstrationen in den USA werden auch hierzulande die Rufe danach lauter, rassistische und rechtsextreme Vorfälle in den Reihen der Polizei aufzuklären. Auch hier ist Frankfurt ein Schauplatz: Linken-Politikerinnen und andere Frauen hatten rechtsextremistische Drohmails erhalten, ihre privaten Daten stammen von Polizeirechnern. Auch hier stellen sich unbequeme Fragen: Gibt es ein rechtsextremes Netzwerk bei der hessischen Polizei? Auch hier muss ehrliche Aufklärung stattfinden. Nicht nur in Frankfurt, sondern überall, wo es zu polizeilichen Misständen kommt. Gewalt gegen Polizisten und Gewalt durch Polizisten - die Debatten überlagern sich. Herauskommt eine explosive Mischung, die der Aufarbeitung schadet. Doch wir brauchen sie - in beiden Fällen.

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