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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu SUVs: Wettrüsten auf der Straße von Bernhard Fleischmann

Regensburg (ots)

Sind Geländewagen sicher? Ja! Sind Geländewagen gefährlich? Ja! Was denn nun? Ganz einfach: Sie sind sicher für diejenigen, die drin sitzen. Und sie sind gefährlicher für alle anderen. Sie sind auch etwas umweltschädlicher als andere Fahrzeugtypen. So gesehen sind sie sogar gefährlicher für jene, die drin sitzen - langfristig. Der Unfall in Berlin mit vier Toten hat eine Diskussion ausgelöst über die Risiken, die Geländewagen innewohnen. Noch weiß niemand, ob der Crash mit einem anderen Fahrzeugtyp weniger tragisch ausgegangen wäre. So gesehen: problematischer Anlass, dennoch richtiges Thema. Nahezu ein Drittel der Autos, die in Deutschland verkauft werden, sind heute SUV. Tendenz weiter steigend. Wir können uns lange die Köpfe hitzig reden, wie seltsam das den einen erscheinen mag und wie klar die Eigner die Vorteile für sich erkennen. Fakt ist: Der Boom der Brummer hat einen tieferen Grund. Neben dem bequemeren Einsteigen und Sitzen für nicht mehr ganz so gelenkige Menschen ist der entscheidende Faktor der dichte Verkehr. SUV werden von Städtern mindestens so gerne gekauft wie auf dem Land. Nun nennt sie die Industrie Stadtgeländewagen. Der innere Widerspruch steckt da schon im Wort. In der Stadt gibt es kein Gelände, für das man ein entsprechendes Mobil braucht. Der SUV ist Blech gewordener Ausdruck unseres sozialen Umgangs auf den Straßen. Dort wird es immer dichter. Kein Platz mehr für Entfaltung, für "freies Fahren". Stattdessen Gedränge, Kolonnenbummeln, Stau. So ist die stete Realität. Der Fahrer ist gelangweilt - oder aggressiv, wenn sich andere Vorteile verschaffen beziehungsweise hinderlich verhalten. Das scheint nur im SUV zu ertragen. Er gaukelt einen Ausweg vor. Er vermittelt Überlegenheit und Sicherheit. Und er kapselt ab. Er gewährt besser als andere die Chance zum Rückzug in die eigene Burg und zur Verteidigung, bei weniger defensiven Zeitgenossen zum Angriff - man hat ja die besten Waffen. Das Ganze mündet in ein klassisches Wettrüsten. Unsere Autos werden immer größer und schwerer. Wir verschanzen uns aus Angst vor Verletzung und Tod, und wir munitionieren uns auf im Fight um die eine Minute, die wir mit Durchsetzungskraft vulgo Rücksichtslosigkeit gewinnen wollen, weil wir im zähen Verkehr ja schon 20 Minuten verloren haben. Widersinnige Logik, funktioniert aber so. Wer daran zweifelt, der betrachte die Gesichter der aktuellen Autos. Die Designer tragen den Aggro-Style mitten unters Volk. Überall böse zusammengekniffene Augen, aufgerissene Mäuler, finstere Gestik. Selbst Kleinwagen wie ein Toyota Aygo blicken drein wie schlimm mutierte Kampfinsekten. Das wirkt. Erst recht, wenn das Auto die Dimension eines Kleinlasters erreicht. Keiner legt sich mit Godzilla an. Solch kampfeslustige Gesichter befördern Aggressionen. Im dichten Gedränge unseres Alltags ist das ein nahezu mutwilliger Aufruf der Designer zum direkten Kampf. Wie wahnsinnig ist das alles? Und was hilft dagegen? Ganz klar eine grundlegend andere Verkehrspolitik. Attraktive, öffentliche Verkehrsmittel gehören da an vorderste Stelle. Allerdings dauert das seine Zeit, vermutlich sogar noch länger. Bis dahin gibt es ein Repertoire, Autos ihrer Verträglichkeit entsprechend zu behandeln. Wer nicht in Parklücken passt, muss eben für zwei zahlen. Kfz- und Treibstoffsteuern gehören ebenso zum Instrumentarium wie ein Tempobegrenzer. Volvo riegelt bei 180 km/h ab, das geht auch niedriger. Wie wäre es mit einem Verbrauchstest (der die Kfz-Steuer maßgeblich bestimmt), in den der Spritverbrauch eines Modells bei seiner Höchstgeschwindigkeit einfließt? So eine gedopte Schrankwand muss bei 250 Sachen mächtig Luft vor sich herwuchten, 20 Liter oder noch viel mehr sind da schnell vergurgelt. Weil diese Autos meist als Geschäftswagen laufen, interessiert das den Piloten häufig null. Es ist aber nicht einzusehen, warum die Allgemeinheit diese Verschwendung finanziert. Strenge Limits für die Anerkennung als Geschäftsauto würden viel helfen. Zwar liefe die deutsche Autoindustrie dagegen Amok, denn das ist eine ihrer wirkungsvollsten Subventionen. Trotzdem ändert sich wenig, wenn wir das nicht angehen.

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