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Mittelbayerische Zeitung: Klare Kante gegen Hetze/Eine Kabarettistin bekommt eine Morddrohung. Die öffentliche Debatte über Politik wird strafbar radikal. Das bringt unsere Meinungsfreiheit in Gefahr. Von Marianne Sperb

Regensburg (ots)

Dass Menschen, die sich kritisch zu Politik äußern, in grenzwertiger Weise beschimpft werden, ist mittlerweile leider Alltag. Aber dass eine Kabarettistin eine Morddrohung bekommt, bedeutet eine relativ neue Qualität im Streiten über Politik - ein Alarmsignal. Denn wie Gewalt in Worten zu Gewalt in Taten wird, lässt sich gerade in den USA beobachten, wo ein fanatisierter Anhänger von Donald Trump Gegnern des US-Präsidenten Briefbomben schickte. Da hilft nur: klare Kante gegen Hetze und gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit. Und zwar egal, aus welcher Ecke sie kommen. Roland Hefter und die Initiative "Künstler mit Herz" haben mit ihrem Anti-AfD-Song einen Nerv getroffen. Das Video, in dem ein bunter Zug unter dem Titel "Mia ned!" gegen die AfD Stellung bezieht, entwickelte sich zum viralen Hit, erhielt Millionen Klicks und Likes. Das Echo von der anderen Seite fiel ebenfalls kräftig aus: "Drecksbayer stinkender" und andere üble Worte wurden gepostet. Massiver ging es gegen Lizzy Aumeier zur Sache. Die Oberpfälzer Kabarettistin hatte sich die AfD-Frontfrau im Bundestag vorgeknöpft: "Alice Weidel lebt in der Schweiz in einer homosexuellen Beziehung und hier in Deutschland ist sie Fraktionsvorsitzende der AfD und gegen Schwule und Lesben. Wie hirnamputiert ist denn das?" Nun muss man den Beitrag nicht geistreich finden und den Verweis auf Alice Weidels sexuelle Orientierung nicht schlüssig. Worum es aber geht: Nach dem ARD-Auftritt drohte ein Facebook-User der Kabarettistin: "Wenn wir wieder an der Macht sind, werden Leute wie du vergast." Roland Hefter und Lizzy Aumeier sind zwei Beispiele, die zeigen: Die Debatte wird strafbar radikal. Die Gesellschaft hält konträre Anschauungen nicht aus. Das bringt unsere Meinungsfreiheit in Gefahr. Die Morddrohung markiert einen Exzess. Aber schon weit unterhalb dieser Schwelle sinkt die Bereitschaft, gegensätzliche Haltungen zu ertragen. Eine Ursache: Immer mehr Menschen kuscheln in Filterblasen, immer weniger wollen Standpunkte, die ihnen selbst fremd sind, hören oder gar bedenken, und immer öfter sind sie dazu auch gar nicht mehr in der Lage. Das Aufmerksamkeitsdefizit steigt. Die sogenannten sozialen Netzwerke ticken im hysterischen Takt. Der Druck, immer und sofort eine Meinung haben zu müssen, nimmt zu. Der Wunsch, in einer disparaten Gesellschaft zu einer Gruppe zu gehören, wächst. Ich bin dafür, ich bin dagegen, ich bin einer von euch: Für mehr reicht es meistens nicht. Das ist rechts allerdings nicht anders als links. Wer Angela Merkels Umgang mit der Flüchtlingsfrage kritisiert, wird als Nazi verschlagwortet, wer Horst Seehofers Kurs vernünftig findet, muss doof sein, und ein Gastwirt, der die AfD in seinen Räumen tagen lässt, darf - wie 2015, in Regensburg - mit einer Drohung der linken Antifa rechnen: Er könne sich ja mal die Folgen seines Handelns überlegen... In der überhitzten, von Gefühlen gelenkten Debatte hilft es, sich kühl die Gesetze anzuschauen. Die rote Linie verläuft da, wo eine Meinung zum Angriff wird. Wer verleumdet, beleidigt, hetzt, droht oder zu Straftaten aufruft, macht sich strafbar. Wer diese Linien übertritt, muss die Konsequenzen spüren. Wer sie beachtet, muss frei sagen dürfen, was er denkt. Wir halten uns für Demokraten. Aber nur jeder Zweite findet: "Man sollte immer auch Meinungen tolerieren, denen man eigentlich nicht zustimmen kann." Am einfachsten wäre es, wir hätten eine oberste Instanz, die sagt: Du hast Recht und alle anderen sind gefährliche Dummköpfe, die man zum Schweigen bringen muss. Solche Instanzen findet man - in Diktaturen. Was man dort nicht finden wird: Meinungsfreiheit.

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