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Mittelbayerische Zeitung: Alles nur Show
Katar hübscht mit viel Geld sein Image vor der WM 2022 auf. Neue Stadien und Wüstencamps sollen die Fans ködern. Die sollten sich nicht blenden lassen. Von Martin Kellermeier

Regensburg (ots)

Wer möchte, könnte die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2022 in Katar als eine Fata Morgana bezeichnen: als eine Vorspiegelung von etwas, das nicht existiert. Und es stimmt: Diese WM ist tatsächlich unwirklich, aber sie ist keine Illusion und wird, anders als eine Luftspiegelung, tiefe Spuren hinterlassen, wenn der Zauber verschwunden ist. Mit einem traditionellen Fußballturnier hat die Weltmeisterschaft in Katar nichts zu tun. Der kleine Wüstenstaat hat Marketingexperten aus der ganzen Welt an die Ostküste des Persischen Golfs gelockt. Sie haben im Vorfeld des Fifa-Turniers ganze Arbeit geleistet, um die vielfach kritisierte Austragung des Wettbewerbs in Katar doch noch in ein positives Licht zu rücken. Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, dessen Konterfei sich die Einheimischen mit Stolz auf den Kofferraumdeckel kleben, lässt nichts unversucht, um die WM in Katar gut zu verkaufen und sich als guten Gastgeber dazustellen. Dafür nimmt das Staatsoberhaupt des Emirats viel Geld in die Hand. Alles muss glänzen und Hightech sein, sogar die Straßenlaternen leuchten bunt. Geld spielt in Katar, das gesicherte Gasvorkommen für die nächsten 200 Jahre hat, keine Rolle. Nicht nur der Bau von sieben nagelneuen Fußballtempeln kostet das Land Milliarden. Kosmetik am Image betreiben die Katari auch mit Einrichtungen wie dem sogenannten "Legacy Pavillion" in einem der Wolkenkratzer Dohas, der Hauptstadt des Landes. Dort versuchen PR-Fachleute, unterstützt von modernster Präsentationstechnik, ihre Besucher von der Fußballgeschichte in Katar zu überzeugen. Wer sich die Schautafeln und Ausstellungsstücke ansieht, muss feststellen: Eine lange Fußball-Geschichte gibt es in Qatar nicht. Der Fußball kam Ende der 1940er Jahre ins Land. Der Wüstenstaat ist seit 1970 Mitglied der Fifa. Gegründet wurde der Weltverband 1904. Mehr als 1,5 Millionen Fußballfans aus der ganzen Welt erwartet das Emirat bei der Weltmeisterschaft. Aus Gründen der Nachhaltigkeit will Katar auf den Bau von zu vielen Hotels verzichten. Stattdessen sollen die Fans auf Kreuzfahrtschiffen wohnen und in Wüstencamps ihr Zelt aufschlagen. Bleibt abzuwarten, ob die Fans diesen Zirkus mitmachen wollen - vor allem, wenn sie hören, dass es kein Bier gibt. Alkohol ist in dem vom Islam geprägten Land verpönt. Eine Entscheidung, ob in den Stadien Bier ausgeschenkt wird, soll demnächst fallen. Billig wird es dann sicher nicht. Die Dose Bier kostet in Katar aktuell zwölf Euro. Die Organisatoren verteidigen sich gegen Kritik an der WM generell mit Konzepten, die schön zu lesen sind. Auch für die neuen Stadien haben die Scheichs einen Plan. Der sieht vor, dass nach der WM die Tribünen verkleinert werden, damit die Arenen wieder die richtige Größe für örtliche Veranstaltungen haben. Die abgebauten Klappsitze sollen dann an Fußballprojekte auf der ganzen Welt gespendet werden. Sogar ein ganzes Stadion, das Ras Abu Aboud Stadium, geht nach der WM auf Reisen. Es besteht aus Schiffscontainern, die nach dem Turnier eine neue Verwendung finden sollen. Aber: Bevor man ganze Fußballtempel über das Meer fährt, wäre es besser gewesen, die Weltmeisterschaft erst gar nicht auf Expedition nach Katar zu schicken. Das Turnier ist in Ländern, die eine Fußball-Tradition haben, am besten aufgehoben. Fernab der Wüste müssten keine XXL-Klimaanlagen für die richtige Temperatur im Stadion sorgen und Kreuzfahrtschiffe die Fans zu den Spielen karren. Die Umwelt würde es der Fifa danken. Es liegt an den Fans, ob sie diesen Irrsinn mitmachen wollen. Wenn sie bei der WM 2022 konsequent daheim bleiben und den Fernseher auslassen, muss die Fifa umdenken. Doch das ist wohl die eigentliche Illusion.

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