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Mittelbayerische Zeitung: Der Anfang vom Ende
25 Monate nach dem Beginn der Ermittlungen startet heute mit dem Wolbergs-Prozess ein Verfahren der Superlative - endlich!
Von Marianne Sperb

Regensburg (ots)

Endlich! Nach zwei Jahren, drei Monaten und zehn Tagen beginnt heute in Regensburg der Wolbergs-Prozess. Der 24. September markiert den Anfang vom Ende einer Affäre, die Regensburg erschüttert: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, moralisch. Nach einer quälend langen Phase, in der hinter vorgehaltener Hand spekuliert, laut behauptet, strikt bestritten und öffentlich gefühlt wurde, sprechen ab heute die Fakten. Endlich wird absehbar, wann Regensburg mit der Vergangenheit abschließen und wieder Zukunft gestalten kann. In Sitzungssaal 104 sind 42 Plätze für Zuhörer reserviert. Für alle anderen Bürger wird unser Medienhaus das Ohr und das Auge sein. Wir werden das Verfahren intensiv verfolgen und über alle Kanäle transparent machen: in Print-Beiträgen und Podcasts, im Live-Ticker, in Online-Texten, Bildern, Videos und in den sozialen Netzwerken. Zuletzt wurde uns auch die Frage gestellt, ob so viel Berichterstattung sein muss. Wir meinen: ja. Umfang und Bedeutung dieses Falls lassen gar nichts anderes zu. Wie unabhängig agierte der höchste Mann der Stadt? Wie sauber laufen in Regensburg Geschäfte ab? Wird Joachim Wolbergs verurteilt oder wird er in das Amt des Oberbürgermeisters zurückkehren können? Worauf dürfen Beamte und Bürger vertrauen und bauen, wo brechen Gewissheiten ein und wie muss Kontrolle künftig aussehen? So lange diese Fragen offen sind, so lange lastet über dem langfristigen politischen und wirtschaftlichen Handeln in Regensburg eine Wolke der Ungewissheit. Eine Stadt lebt im Schwebezustand. Auf konstant gute oder konstant schlechte Situationen kann man sich einstellen - auf unkalkulierbare Rahmenbedingungen nicht. Im spekulationsoffenen Raum gibt es keine Planungssicherheit. Die Unklarheiten lähmen ausgerechnet eine Metropole, in der die Wirtschafts- und die Einwohnerzahlen rasant wachsen, in der bezahlbare Wohnungen so selten sind wie Trüffeln - und Immobilien so teuer. Auch daraus bezieht der Wolbergs-Prozess seine herausragende Tragweite. Der Fall ist rekordverdächtig, die Rahmendaten spektakulär. Sieben Staatsanwälte und 69 Kripobeamte schwärmten 2016 aus, um einen Berg an Material in Amtszimmern, Wohnungen und Firmen zu sichern. Die Ermittler trugen vier Terabyte an Informationen zusammen, eine kaum vorstellbare Menge, die ungefähr 550 000 Mal dem ersten Harry-Potter-Band entspricht. Zwei Millionen E-Mails wurden beschlagnahmt und geprüft, 342 Stunden Telefonate mitgeschnitten. Die Staatsanwaltschaft hat sich viel Zeit genommen, um Vorwürfe und Verdachtsmomente gegen den suspendierten Oberbürgermeister und drei Mitangeklagte zu untersuchen. Auch das Gericht will sehr ausführlich alle Argumente prüfen. Der Prozess wird mit 70 Verhandlungstagen der längste, den Regensburg je erlebt hat. Im Mai 2019 könnte ein Urteil fallen - falls es nicht noch länger braucht, um alle Fragen zu klären. Das Gericht hat 28 zusätzliche Prozesstage reserviert, das Urteil würde dann im September 2019 stehen - falls es rechtskräftig wird. In Fachkreisen hält man es sogar für möglich, dass die Causa beim Bundesgerichtshof oder gar beim Bundesverfassungsgericht landen wird. Der Regensburger Fall wird als eine der größten kommunalen Spendenaffären der deutschen Nachkriegszeit gehandelt. Man muss schon sehr suchen, um in der Politik Prozesse ähnlicher Dimension zu finden - und stößt dann schnell auf Christian Wulff. Das Verfahren war auf 22 Tage angesetzt, das Urteil fiel nach drei Monaten. Der Fall des Bundespräsidenten a.D. zeigt auch: Die Wucht, mit der die Justiz vorgeht, muss nichts aussagen über die Wahrheit, die das Gericht am Ende finden wird. Bei den Ermittlungen zu Wulff wurden 93 Zeugen befragt, eine Million Dateien ausgewertet und geschätzt zwei Millionen Euro ausgegeben. Das Urteil lautete: Freispruch.

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