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Mittelbayerische Zeitung: Ein dickes Stück vom Kuchen
Die IG Metall fordert nicht nur deutlich mehr Geld, sondern auch zusätzlich zeitliche Flexibilität. Ein berechtigtes Anliegen. Leitartikel von Bernhard Fleischmann

Regensburg (ots)

Die Zeit der Bescheidenheit scheint vorbei. In den vergangenen Jahren haben sich die Gewerkschaften bei den Tarifverhandlungen einigermaßen zurückgehalten. Arbeitsplätze gehen vor Lohnzuwächsen, lautete im Zweifel die Devise. Nun, im mittlerweile achten Jahr der Hochkonjunktur, wollen die Arbeitnehmervertreter ihren Mitgliedern offenbar ein richtig dickes Stück vom Kuchen auf dem Teller bieten. Und weil Geld alleine nicht glücklich macht, prescht die IG Metall mit einem Projekt vor, gegen das die Arbeitgeber Sturm laufen: einem Anrecht auf Arbeitszeitverkürzung mit Rückkehrrecht zur Vollzeit und teilweisem Lohnausgleich. Die Tarifverhandlungen sind damit aber mit einem Thema belastet, das dort nicht ideal aufgehoben ist. Wie zäh die Verhandlungen auch immer laufen werden: Ja, es wird wohl deutlich mehr Geld geben. Und es könnte auch einen Kompromiss bei der Arbeitszeit geben, der vermutlich ein freieres Atmen in beide Richtungen erlaubt. Sowohl Möglichkeiten zur Ausdehnung als auch zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit - je nach Bedarf - könnten am Ende vereinbart werden. Der Wirtschaftsboom spielt den Gewerkschaften in die Hände: Die Unternehmen suchen bisweilen schon verzweifelt Fachkräfte - wenngleich keinesfalls in allen Branchen und Regionen. Aber insgesamt haben sich die Kräfteverhältnisse spürbar in Richtung der Arbeitnehmer verschoben. In dieser Position kann man leichter fordern. Den Unternehmen schadet angesichts voller Auslastung jeder Tag einer möglichen Produktionsunterbrechung enorm. Das fördert die Bereitschaft zum Kompromiss. Daher dürften die Tarifabschlüsse der großen Branchen in diesem Jahr beim Geld eine Drei vor dem Komma aufweisen. Vereinzelt könnte es eine Vier werden. Beliebig ist diese Schraube aber nicht zu drehen. Denn der globale Wettbewerb lässt, auch wenn die ständigen Exportrekorde anderes vermuten lassen, Preiserhöhungen nur begrenzt zu. Die wären aber zum Ausgleich der Kostensteigerung nötig, weil die Produktivität in den vergangenen Jahren nur schwach zugelegt hat. Die Lohnstückkosten hingegen klettern - wie in anderen Ländern auch - deutlich. Die Ursache dafür liegt aber nicht nur in höheren Entlohnungen der Mitarbeiter. Auch die Unternehmen selbst tragen daran ihren Anteil. Denn sie investieren relativ wenig. Investitionen in modernere Fertigungen würden die Kapazitäten erweitern und die Effizienz steigern. Das bleibt aber aus. Stattdessen kaufen große Aktiengesellschaften lieber ihre eigenen Aktien vom Kapitalmarkt zurück, zum Teil auf Pump. Das senkt die Gewinne, auf die Steuern fällig würden, und entzieht der Allgemeinheit die Möglichkeit, sich an diesen Gewinnen zu beteiligen. Am Ende ist es eine Umverteilung der Gewinne; sie konzentrieren sich noch mehr in den Händen von weniger Anteilseignern. Bei der Arbeitszeit ist die Komplexität zu groß, um in Slogans zu passen. Es gibt zweifelsfrei eine große Lücke. Auf der einen Seite stehen Arbeitnehmer, die auf der letzten Rille arbeiten, ständig am Rande der Überlastung oder auch darüber. Auf der anderen Seite jene, die mehr tun möchten, aber nicht können. Man darf sich fragen, ob dieses Thema, wenn es mit sozialer Flankierung verknüpft wird, bei Tarifvertragsparteien richtig angesiedelt ist. Denn dort können sich Betriebe dem entziehen, indem sie aus der Tarifbindung aussteigen. Ein Rechtsanspruch auf eine befristete Verkürzung der Arbeitszeit für Arbeitnehmer mit Lohnausgleich liegt viel sinnvoller in der Hand des Gesetzgebers, sofern er das für sinnvoll hält. Es ist also ein klarer Job für die Bundesregierung, sich darum zu kümmern. Das sollte sie bald tun - in welcher Konstellation und wann auch immer sie zustande kommt.

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