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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Brexit: Ein schneller Schnitt von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Lache nie über die Dummheit der anderen. Sie ist deine Chance. So schrieb der Literaturnobelpreisträger Winston Churchill, der vielen eher als britischer Staatsmann und Premier bekannt ist. Vermutlich hätte der große Brite nie solch einen peinlichen Fehler begangen wie sein politischer Urenkel David Cameron. Ohne Not und nur um seine Macht zu erhalten, führte der Noch-Premier die Briten in das Abenteuer eines Referendums über den Verbleib in der EU. Doch nicht die Volksabstimmung als solche war Camerons Fehler, sondern die Tatsache, dass er nur mit halbem Herzen, nur mit einer halben Partei für die EU geworben hat. Doch das alles ist leider vergossene Milch. Der Brexit ist ein Fakt, auch wenn er nicht überwältigend ausfiel, auch wenn er Großbritannien noch tiefer spaltet als bislang schon. Die Fragen, die nun auf der Tagesordnung stehen, verlangen einen kühlen Kopf, politische Weitsicht, aber auch ein heißes europäisches Herz. Das emotionslose Herunterbeten der Vorteile der 28er Union, offenkundige Schwachstellen der Gemeinschaft und eine von den Problemen der Menschen ferne Brüsseler Bürokratie können nicht für Vertrauen in die EU und ihre Zukunftsfähigkeit sorgen. Weder auf den britischen Inseln, noch auf dem europäischen Festland. Das muss sich ändern. Die mit den Jahren erstarrte EU braucht dringend einen Neustart, braucht wirkliche Demokratie in ihren Entscheidungen, viel mehr Transparenz, aber auch Stringenz bei der Umsetzung von Entscheidungen. Gerade weil im Gefolge des Brexit in vielen anderen Ländern nun populistische EU-Kritiker bis hin zu extremen EU-Feinden Morgenluft wittern, sind klare Schritte hin zu mehr Europa notwendig. Europäische Trittbrettfahrer, die still die Vorteile der EU genießen, aber auf den Marktplätzen laut gegen Brüssel wettern, gibt es leider genug. Der Brexit darf nicht zum europäischen Flächenbrand werden. Vielleicht kommt der Austritt der Briten gerade zur rechten Zeit, damit sich alle verantwortlichen Politiker des Ernstes der Lage bewusst werden. Eine Reform der EU an Haupt und Gliedern ist sogar noch wichtiger als zügige und faire Austrittsverhandlungen mit Großbritannien. Verdammt schwierig ist beides. Gleichwohl müssen die Modalitäten des Austritts und der künftigen Beziehungen zur EU mit der britischen Regierung, egal wer der Premier ist, vernünftig geführt werden. Dass sich die regierenden Torys mit dem abgehalfterten David Cameron nun womöglich monatelang Zeit nehmen wollen, ehe sie überhaupt ihr Austrittsersuchen in Brüssel einreichen, ist nicht hinnehmbar. Der Schnitt muss schnell erfolgen, auch wenn er weh tut. Jahrelange Hängepartien und eine ungewisse Zukunft schaden Investoren genauso wie sie die Menschen noch weiter verunsichern. Zugleich jedoch sollte der Schnitt mit Augenmaß und dem Blick in die Zukunft erfolgen. Auch nach einer über 40-jährigen Ehe mit vielen gemeinsamen Beziehungen und Freunden wirft man nicht leichtfertig alles in den Müll. Dem Nicht-mehr-EU-Mitglied Großbritannien müssen faire Beziehungen eingeräumt werden, aber es dürfen auch keine Extrawürste gebraten werden. Viele gemeinsame Projekte sind es wert, auch unter den neuen Vorzeichen fortgeführt zu werden, vom Antiterrorkampf bis zur Entwicklungspolitik, von der militärischen Kooperation bis zum Jugendaustausch, von der Musik bis zum Fußball. Über den dummen Ausgang des Referendums kann niemand lachen, wohl nicht einmal die Brexit-Befürworter. Es liegt nun an den Europäern daraus keine europäische Krise werden zu lassen, sondern die Chance zur Veränderung zu ergreifen.

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