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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Schröpf zu den Folgen des Wahlsonntags

Regensburg (ots)

Kanzlerin Angela Merkels Flüchtlingspolitik warschuld, die Störfeuer von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer - oder doch vielleicht die Dummheit und/oder Geschichtsvergessenheit der AfD-Wähler? So hübsch einfach lässt sich das Debakel der etablierten Volksparteien am "Super-Sunday" leider nicht erklären. Merkels Flüchtlingspolitik hat ja gezündet, wenn auch stärker beim Wählerklientel von Grünen und SPD. Seehofers Kurs wirkt - vor allem in Bayern, wo die CSU in Umfragen noch immer bei Werten liegt, von denen Ministerpräsidenten wie Winfried Kretschmann und Malu Dreyer nur träumen können. Und auch mit Wählerschelte kommt man nicht weiter. Denn die rechtspopulistische AfD holte viele Nicht-Wähler an die Urnen, die sich von den etablierten Parteien und offenbar auch von allen anderen Institutionen der Gesellschaft seit längerem nicht mehr vertreten fühlen. Seehofer liegt in einem wichtigen Punkt mit seiner Diagnose richtig. Das Erstarken der AfD ist mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Kurzzeiterscheinung, die verschwindet, sobald in der Asylpolitik eine europäische Lösung greift, Flüchtlingsströme besser verteilt und die Zuwanderung nach Deutschland deutlich verringert wird. Der "Super-Sunday" fordert eine harte Debatte über das politische Profil der Union. Sonst ist das Debakel vom Sonntag nur der Vorgeschmack auf die nächsten Wahlniederlagen. Zwingend nötig ist die ungeschönte Analyse dabei auch für die SPD, die abgesehen von Rheinland-Pfalz vernichtend geschlagen worden ist. Im Kern geht es um einen politischen Richtungsstreit, der Union und SPD fundamental betrifft. Es geht um eine Positionierung in Zeiten, in denen sich alle Volksparteien mehr oder weniger in der politischen Mitte versammeln. Der Dauerzoff in der Union hat seine Ursache nicht darin, dass Seehofer und die anderen wilden Kerle in der CSU notorisch auf Krawall gebürstet sind, wie im Rest der Republik gerne geglaubt wird. Die Spannungen offenbaren vielmehr eine massive Form von Dehnungsschmerz. Die CDU ist in den vergangenen Jahren weit stärker an die linke Flanke der politischen Mitte gerückt, als sich die CSU in diese Richtung strecken möchte. Für die Seehofer-Partei gilt noch immer uneingeschränkt das Mantra von Franz Josef Strauß, wonach es rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Partei geben darf. Dahinter steckt nicht nur taktisches Kalkül, Seehofer ist in diesem Punkt Überzeugungstäter. Parallel gräbt die "Sozialdemokratisierung" der CDU der SPD das Wasser ab - behaupten können sich bei Wahlen nur noch Genossen mit starkem eigenen Profil. Auch das eine zwingende Schlussfolgerung aus dem "Super-Sunday". Das sollte in anderen SPD-Landesverbänden auf keinen Fall verdrängt werden, wo es in der ersten Reihe ebenfalls an charismatischem Personal fehlt. In Bayern haben sich die Genossen zuletzt in Landtagswahlen bei Werten um die 20 Prozent eingependelt. Doch das muss nicht das Ende der Fahnenstange sein, wie die Ergebnisse in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt gezeigt haben. Volksparteien heißen Volksparteien, weil sie weite Teile des Parteienspektrums abdecken. Wer dabei versagt und nach kurzem Gezänk über die Schuld am Wahldebakel vom Wochenende schnell zur Tagesordnung übergeht, lässt dauerhaft Platz für die AfD, die das Protestpotenzial gerne weiter aufsammeln wird. Er belässt es dabei, darauf zu vertrauen, dass sich die Rechtspopulisten in den Landtagen schon rasch selbst entzaubern werden, weil jede ihrer kruden Thesen nun weit stärker wahrgenommen und sanktioniert werden. Doch ob das wirklich funktioniert? Das Klientel der AfD hat sich bisher jedenfalls nicht an den Entgleisungen ihrer Protagonisten gestört.

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