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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu EU/Terror in Paris

Regensburg (ots)

von Daniela Weingärtner, MZ

Nach den Anschlägen von Paris versichert sich Frankreich der Unterstützung seiner Bündnispartner. Es wählt dafür ausgerechnet den Weg über Artikel 42,7 der EU-Verträge, der im Fall eines Angriffs auf ein Mitgliedsland der Union alle anderen zur Hilfe verpflichtet. Genau diese vertraglich festgeschriebene Beistandsverpflichtung hatte die französische Linke vor 15 Jahren gegen die geplante EU-Verfassung in Stellung gebracht. Man fürchtete eine Militarisierung Europas und die Verwicklung in die Kriegshändel der Nachbarn. Vergeblich wiesen Befürworter der EU-Verfassung darauf hin, dass eine ähnliche Beistandsklausel schon seit den 90er Jahren besteht und nationale Parlamente wie der Bundestag einem möglichen Militäreinsatz zuvor zustimmen müssten. Es gehört zur bitteren Ironie dieser Tage, dass nun ausgerechnet eine linke französische Regierung den damals stark kritisierten Passus in Anspruch nimmt, sich im Krieg mit dem Islamischen Staat erklärt und die anderen EU-Staaten in die Beistandspflicht nimmt. Verkehrte Welt: Nun treibt die Nachbarn die Sorge um, in Frankreichs Krieg gegen den IS verwickelt zu werden. Es ist das erste Mal, dass die EU als Verteidigungsgemeinschaft auf die Probe gestellt und der Bündnisfall in dieser Form ausgerufen wird. Doch Artikel 42,7 erwähnt ausdrücklich, dass der besondere Charakter der jeweiligen nationalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik dabei berücksichtigt werden muss. Wenn sich also Deutschland weder an Luftschlägen über Syrien noch an möglichen Einsätzen am Boden beteiligen will, dann muss Frankreich das respektieren und sich mit zusätzlicher Unterstützung in Mali - wie sie die deutsche Verteidigungsministerin nun angeboten hat - zufrieden geben. Frankreichs Präsident Hollande hätte auch Artikel 222 der EU-Verträge bemühen können, der alle militärischen Mittel der Union im Fall einer Naturkatastrophe oder eines Terroranschlags mobilisiert. Davon haben ihn womöglich zwei Erwägungen abgehalten. Zum einen würde in diesem Fall die EU-Kommission die Regie übernehmen. In einer so dramatischen Lage will sich "La Grande Nation" nicht den Bürokraten in Brüssel unterordnen und keine nationale Souveränität aus der Hand geben. Außerdem hat Präsident Hollande mehrfach betont, dass es sich nicht um einen Terrorakt sondern um eine Kriegserklärung handele. Und für kriegerische Auseinandersetzungen ist der Artikel 222 nicht zuständig. Bleibt die Frage, warum sich Frankreich nicht an die Nato gewandt hat. Auch dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist gerade die französische Linke USA-skeptisch bis antiamerikanisch eingestellt. Die Nato ist die transatlantische Achse, die Amerikaner geben im Bündnis den Ton an. Zum Zweiten wurde Russland, nachdem Putin die Krim annektiert hatte, aus allen Nato-Zirkeln verbannt. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch den Islamischen Staat wird aber Russlands Hilfe in Syrien dringend gebraucht. Wenn Frankreich nun die europäische Karte spielt und die Nato außen vor lässt, baut man Putin damit eine goldene Brücke. Wie gut das funktioniert, zeigte sich schon gestern. Der russische Präsident vereinbarte mit seinem französischen Kollegen eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste und der Militärs beim Kampf gegen den IS. Angesichts dieser Entwicklungen scheint die Wertegemeinschaft Europa, wo demokratische Institutionen über das Wohl von 450 Millionen Europäern entscheiden, nur noch eine nostalgische Reminiszenz zu sein. Zwar rücken Europas Regierungen angesichts des Terrors enger zusammen. Doch sie setzen dabei auf längst überwunden geglaubte Mittel. Der archaische Terror des IS bombt Europa ins 20. Jahrhundert zurück.

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