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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg

Regensburg (ots)

von Reinhard Zweigler, MZ

Landtagswahlen im Osten Deutschlands werden im Rest der Republik nicht unbedingt mit Höchstspannung verfolgt. Beim gestrigen Urnengang in Thüringen, das gemeinsam mit Brandenburg ein neues Landesparlament wählte, war das offenbar anders. Denn ausgerechnet im 25. Jahr des Mauerfalls schickte sich mit dem aus Hessen stammenden Bodo Ramelow ein Linken-Politiker an, erster Ministerpräsident für die Nachfolgerin der Mauer-Partei SED zu werden. Für diejenigen, die unter der SED-Diktatur, unter Unfreiheit, Mauer und Stacheldraht zu leiden hatten, wäre dies gewissermaßen ein schlimmer Verrat an der friedlichen Revolution, die vor einem Vierteljahrhundert die SED-Herrschaft wegfegte und die deutsche Einheit erst ermöglichte. Für andere hingegen - und davon gibt es in den ostdeutschen Ländern immer noch, oder wieder, eine ganze Menge - wäre die Macht für einen smarten Linken, noch dazu gläubig-evangelisch und nicht mit der SED-Stasi-Diktatur befleckt, keineswegs ein Drama, sondern ein normaler demokratischer Wechsel. Doch "normal" wäre Ramelows Wahl zum Ministerpräsidenten im thüringischen Freistaat ganz und gar nicht. Vor allem im Westen würde man sich fragen, ob man im Osten nichts aus der jüngeren deutschen Geschichte gelernt habe. Damit schwingt sicher auch unausgesprochen der Vorwurf von Undankbarkeit mit. Schließlich wurde auch Thüringen, wie die anderen ostdeutschen Bundesländer, mit milliardenschweren Hilfen des Bundes sowie der westdeutschen Länder nach den Verheerungen des "Realsozialismus" wieder aufgebaut. Freilich ist Dankbarkeit - wem gegenüber eigentlich? - keine politische Kategorie. Wähler und Wählerinnen entscheiden eher pragmatisch-politisch, für welche Partei sie ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel machen. Das ist im Osten nicht anders als im Westen. Wir sind ein Volk. In Brandenburg, das seit 1990 von der SPD regiert wird, dürfte nach der Wahl politisch alles beim Alten bleiben. Zu deutlich ist die Vorliebe des alten und wahrscheinlich neuen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke für die Postkommunisten. Mit den Linken im Land des roten Adlers hat er fünf Jahre lang mehr oder weniger gut zusammengearbeitet. Die Schmach, den Großflughafen BER nicht fertig zu bekommen, teilt sich Potsdam übrigens mit Berlin und dem Bund. In Thüringen sieht das völlig anders aus. Das Wahlergebnis im nördlichen Nachbarland von Bayern brachte eine Hängepartie. Die rot-roten Träume von Ramelow sind angesichts des mickrigen Ergebnisses für die Thüringen-SPD zerplatzt. Will der Linke wirklich noch Regierungschef in Erfurt werden, dann bräuchte er nicht nur die Königsmacher von der SPD, sondern auch von den Grünen. Doch es ist keinesfalls ausgemacht, ob die einst aus der DDR-Opposition hervorgegangenen Grünen als "Ersatzreifen" für Rot-Rot zur Verfügung stehen werden. Eher wohl nicht. Und womöglich reichte es auch dann nicht. Auf der anderen Seite hat die CDU von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht zwar die meisten Stimmen bekommen, doch dafür kann sich die einstige Pfarrerin vorerst nichts kaufen. Die Regierungspartei wurde zudem von Skandalen und Personalquerelen geschüttelt. Die mitregierende SPD wurde kräftig abgestraft. Sie liegt nur noch knapp vor der rechtspopulistischen AfD, die das gute Ergebnis von Sachsen noch toppen konnte. Das Thüringer Ergebnis hinterlässt viele Fragezeichen. Für eine Fortführung der schwarz-roten Koalition würde die SPD wahrscheinlich den Preis sehr hoch ansetzen. Die SPD ist zwar klein, doch sie hätte immerhin ein Druckmittel: Wir könnten auch mit der Linken. So oder so wird in den kommenden Wochen in Erfurt, und wohl auch in den Berliner Parteizentralen, heftig diskutiert, spekuliert und verhandelt werden.

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