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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zu Union/SPD

Regensburg (ots)

Angela Merkel sollte insgeheim froh sein, dass ihre Partei die absolute Mehrheit knapp verfehlt hat. Dann müsste sie sich zwar nicht auf ein wochen- oder monatelanges Gehakel mit dem potenziellen Partner einlassen. Sie würde aber feststellen, dass die Bürger irgendetwas von ihr erwarten. Die Politik des "Weiter so" ist kein tragfähiges Konzept für die Zukunft. Somit sind die jetzt beginnenden Koalitionsverhandlungen eine gute Sache. Wer genau hinsieht, kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass eine große Koalition paradoxerweise dazu führt, dass doch alles irgendwie weiter so geht. Und das ist nicht unbedingt gut. Union und SPD können prinzipiell miteinander. Das haben sie bereits zweimal unter Beweis gestellt. In den Jahren 2005 bis 2009 stellte die große Koalition viele Weichen richtig. Deutschland blieb in den Stürmen der Finanzkrise stabil. Aber das ist lange her. Weder sind CDU und CSU dieselben, noch ist die SPD heute die Partei, die sie damals war. Die Jahre an der Seite der Kanzlerin haben die Genossen nachhaltig geprägt. Wie tief die Narben sind, die die Rosenkriege der Zwangsehe mit der Kanzlerin hinterlassen haben, zeigt die Ablehnung, die das Projekt "große Koalition, Teil 3" an der Basis erfährt. Darüber täuscht der Beschluss des kleinen Parteitags vom Wochenende nur kurz hinweg. Die SPD muss ihr Gesicht wahren. Das ist völlig verständlich, aber auch eine schwere Hypothek für die kommenden vier Jahre - sofern alles läuft, wie von der Parteispitze geplant, und die Basis am Ende ihren Segen für Schwarz-Rot erteilt. Denn unter dem Druck, irgendwie eine Koalition hinzubekommen, drohen viele Projekte auf der Strecke zu bleiben. Eine Zeit der Mimimallösungen und Prüfaufträge aber haben wir erst hinter uns gelassen. Weitere vier Jahre wie die letzten wären schwer zu ertragen. Angela Merkel hat es da besser als SPD-Chef Sigmar Gabriel. Sie hat im Wahlkampf weniger versprochen und muss deswegen auch weniger halten. Es muss nur irgendwie weitergehen. Denn dafür ist sie gewählt worden. Die CDU verfällt in die Rolle, die sie unter Merkel perfekt zu spielen gelernt hat: Sie wartet ab. Die CSU bekommt derweil den mephistophelischen Part zugeschrieben, den ihr Chef Horst Seehofer perfekt vorlebt: der Geist, der stets verneint. Beispiel Mindestlohn: Bis zum Wochenende war klar, dass die flächendeckende gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in der Stunde als erster Eckpfeiler der großen Koalition gesetzt ist. Gestern hat die Verhandlungsführerin in der zuständigen Arbeitsgruppe, Bayerns neue Wirtschaftsministerin Ilse Aginer (CSU), das wieder infrage gestellt. Das Betreuungsgeld, das die SPD abschaffen wollte, dürfen CDU/CSU wohl behalten, und Steuererhöhungen zur Finanzierung der Sozialsysteme, wie von der SPD gefordert, sind auch erst einmal vom Tisch. Die Genossen sind angesichts einer fast allmächtigen Merkel in der schlechteren Position. Noch dazu, weil im schlimmsten Fall der einstige Partner, die Grünen, bereitsteht, wenn Schwarz-Rot nicht klappt. Große Koalitionen sind immer Ausnahmen, und das hat gute Gründe. Diese große Koalition, sollte sie denn wirklich zustande kommen, wird mehr als alle anderen sich selbst Opposition sein. Dabei kann zwar Gutes entstehen. Weil die beiden großen gesellschaftlichen Strömungen um die beste Lösung ringen müssen. Vielleicht aber ist das zu anstrengend. Oder zu gefährlich. Weil man, im Fall der SPD, die eigene Basis gegen sich hat. Oder weil man, im Fall der Union, der SPD zu viel Erfolg nicht gönnen will. Vielleicht wird das, was am Ende bei den Verhandlungen herauskommt, so weichgespült sein, dass es für alle leicht verdaulich ist - was nichts anderes ist, als das Geheimnis für Merkels Erfolg in Koalitionen jeder Couleur. Das mag taugen, um das Land ein paar Jahre weiter stabil zu halten. Das ist ein Wert an sich. Für tiefgreifende und notwendige Reformen aber ist das zu wenig.

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