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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Arbeitsmarkt: "Abseits des Jubels"

Regensburg (ots)

Es ist weder überraschend noch besonders erschreckend: Die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften hat spürbar nachgelassen. Denn sie bewegt sich weiterhin auf relativ hohem Niveau, berichtet die Bundesagentur für Arbeit. Gleichzeitig vermeldet das Statistische Bundesamt einen erneuten Rekord bei der Zahl der Beschäftigten, allerdings mit schwächerer Aufwärtstendenz. Wenn man das weltwirtschaftliche Umfeld und insbesondere die Einschläge in großen Teilen Europas im Blick hat, dann fängt sich Deutschland auf dem Arbeitsmarkt noch nicht mal ein blaues Auge ein. Doch es gibt auch Wahrheiten hinter diesen plakativen Zahlen, die nicht für Jubelgesänge taugen. Ein Teil des Zuwachses an Beschäftigung ist für die Betroffenen teuer erkauft: zunächst einmal durch jahrelangen Verzicht auf reale Lohnerhöhungen, ein Trend, der erst 2012 in vielen Branchen gebrochen wurde. Hinzu kommen die zunehmende Zahl von Minijobs und ein ausgedehnter Niedriglohn-Sektor. Wir werden uns noch lange streiten, ob es besser ist, möglichst viele Menschen auch zu unattraktiven Bedingungen in Beschäftigung zu bringen und ihnen damit die Chance zu geben, wenigstens einen Teil ihres Lebensunterhalts zu bestreiten. Oder ob dieser Weg dazu führt, dass in weiten Teilen der Wirtschaft wegen fehlender Untergrenzen bei der Bezahlung - man könnte sie auch Schamgrenzen nennen - das Niveau für bisher ganz ordentlich entlohnte Tätigkeiten in die Tiefe gezogen wird. Dass Minijobs reguläre Stellen verdrängen, ist nicht mehr zu bestreiten. Das Sozialversicherungssystem wird so beschädigt, keine Frage. Klar ist aber auch, dass ein Teil der Jobs ohne dieses Schlupfloch wegfiele. Problematisch ist auch, dass die Weltkonjunktur auf sehr wackeligen Beinen steht. Aus heutiger Sicht erwartet die Mehrheit der Experten schon für das zweite Halbjahr wieder eine Besserung. Aber eben nur, sofern der Euro endlich festen Boden unter den Füßen findet. Hilfreich wäre es obendrein, wenn die US-Politik - gemeint sind insbesondere die an Peinlichkeit kaum noch zu übertreffenden Republikaner - ihre Ökonomie nicht zu Tode blockiert. Diese Unsicherheit schlägt sich in der Wirtschaft längst nieder. So beschäftigt sich knapp ein Viertel der bayerischen Metall- und Elektrounternehmen aktuell mit dem Thema Kurzarbeit. Fünf Prozent haben sie bereits eingeführt, drei Prozent in den kommenden drei Monaten konkret geplant und 16 Prozent ernsthaft angedacht. Noch zehren Unternehmen und Beschäftigte von zuvor gut aufgefüllten Arbeitszeitkonten. Weitaus größere Sorgen haben die Langzeitarbeitslosen. Deren Zahl ist zwar von 2006 bis 2009 um etwa eine halbe Million zurückgegangen, verharrt aber seither bei einer Million. Häufig sind sie gesundheitlich eingeschränkt, noch häufiger aber mangelt es ihnen an Bildung und Ausbildung. Wenig bekannt ist, dass die Hälfte der Arbeitslosigkeit sich auf fünf Prozent der Beschäftigten verteilt. Die meisten Menschen werde demnach nie arbeitslos, ein relativ geringer Teil aber immer wieder. Auch hier gilt: Eine geringe Qualifikation erhöht das Risiko immens. Andererseits finden in wirtschaftlich starken Regionen selbst Betriebe, die bei der Auswahl von Auszubildenden nicht übertrieben wählerisch sind, kaum noch Bewerber. Am Ende führt kein Weg daran vorbei: Der Schlüssel für das Wohlergehen der Bürger liegt in erster Linie in der Bildung. Fürwahr keine revolutionär neue Erkenntnis, nur - warum geschieht so wenig, obwohl wir das schon lange wissen? Es könnte damit zu tun haben, dass die politische Dividende für Investitionen in die Bildung erst mit großer Verzögerung anfällt. Autor: Bernhard Fleischmann

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