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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zum Doppelabitur in Bayern

Regensburg (ots)

Zeit für eine echte Reform

In wenigen Wochen startet der doppelte Jahrgang ins Abitur. Für Schüler wie Lehrer heißt es nun "Augen zu und durch" - das Doppel-Abitur und die folgende Studentenschwemme werden noch mal ein Kraftakt. Auch Bayerns Politiker werden froh sein, wenn die Causa "Doppelter Jahrgang" überstanden ist. Doch fängt für sie die Arbeit danach erst an: Es ist Zeit, das Gymnasium wirklich zu reformieren. Die Verkürzung auf acht Jahre Gymnasium war weniger eine "Verbesserung des Bestehenden" (so die Duden-Definition für Reform) als eine unausgereifte Hauruck-Aktion. Es ging um Wettbewerb, Bayerns Abiturienten sollten nicht später auf den Arbeitsmarkt kommen als in anderen Ländern. Und um ökonomische Interessen: Das Finanzministerium soll hier Sparpotenzial gewittert und ein Wörtchen mitgeredet haben. Am wenigsten ging es um den besten Weg für die Betroffenen. Die hat die hastige Aktion an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Schulen und Lehrer mussten unvorbereitet ein neues System umsetzen. Für die Schüler (samt Familien) wurde ihre Bildungskarriere zu einem Hindernislauf. Beim G8 klagt der Nachwuchs vor allem über das "Bulimie-Lernen": Reinfressen und wieder Ausspucken. Die Gymnasialzeit bedeutete für ihn Organisationschaos, übervolle Stundenpläne und das Gefühl, die Versuchskaninchen der Nation zu sein. An den Hochschulen geht es jetzt weiter, mit dem Kampf um den gewünschten Studienplatz. Längst ist bekannt, dass in Bayern mindestens 10 000 weitere Studienplätze fehlen, die Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch forderte - aus Spargründen wurden sie im Landtag nicht bewilligt. Auch bundesweit sind die Kapazitäten begrenzt, beispielsweise für zentral vergebene Studiengänge wie Medizin oder Pharmazie. Und in den nächsten Jahren drängen doppelte Abiturjahrgänge aus Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen an die Hochschulen. Das bayerische Kultusministerium bemüht sich, den Doppelten Jahrgang möglichst reibungslos abzuwickeln. Aber ob es die Zäsur nach dem G9 als Chance nutzen wird, das Gymnasium endlich grundlegend weiterzuentwickeln? Es soll Anweisungen geben, das Abitur 2011 habe um jeden Preis gut auszufallen. Das ist Schönheitskosmetik, mit der das G8 als Erfolg verkauft werden soll. Auch dass das Ministerium gerade 500 frisch ausgebildeten Lehrern eine Jobabsage erteilt hat, lässt nicht auf echte Veränderungen hoffen. Mit ihnen würde an Gymnasien weniger Unterricht ausfallen und der Kultusminister könnte sein Versprechen einlösen und die Klassen zügig verkleinern. Die Gymnasien brauchen jetzt jeden motivierten Mitarbeiter, um sich für die Zukunft zu rüsten. Eine Schule kann auch in acht Jahren den Grundstein für ein erfolgreiches (Berufs)Leben legen - die Frage ist nur, mit welchen Inhalten und Methoden. Womit kommt ein Schüler besser in unserer Gesellschaft zurecht: Mit abfragbarem Wissen oder mit der Fähigkeit, sich nötiges Wissen selber anzueignen? Auswendig lernen und Noten sammeln: Stattdessen sollte die Schule der Zukunft auf eigenverantwortliches Lernen setzen. Kompetenzen wie Teamarbeit, die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erfassen und Fachübergreifend zu denken, machen fit für das Leben und auch für den Wettbewerb. Wer gute Leistung bringen soll, braucht zwischendurch Freiraum für Kreativität und zur Entspannung, das gilt auch für Schüler. Und wirklich erfolgreich wird eine Schulreform erst, wenn sie nicht von oben verordnet ist, sondern wenn Lehrer und Familien "ihre Schule" mitgestalten dürfen.

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