Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Vernachlässigte Kinder: Gute Worte und nicht viel mehr - Leitartikel von Hayke Lanwert

Essen (ots)

Justin, vielleicht erinnert sich der ein oder andere
noch an ihn, wurde gerade einmal sieben Monate alt. Der kleine Junge 
aus Bochum hatte geschrien, als er gebadet werden sollte, was seinen 
Stiefvater prompt veranlasste, das Kind direkt in den heißen 
Duschstrahl zu halten. Stark verbrüht starb das Baby nach Stunden 
voller Schmerz. Die Mutter und ihr Lebensgefährte ließen es leiden, 
alarmierten erst nach Stunden, eben zu spät, den Notarzt. Justin, so 
muss man es wohl leider sagen, hätte nicht sterben müssen, hätte das 
Jugendamt auf Warnungen entsprechend reagiert. Nicht nur, dass die 
Familie dort wegen brutaler Kindesmisshandlungen hinlänglich bekannt 
war, nein, Justins Onkel, hatte sich, in Sorge um das Baby, Hilfe 
suchend an das Amt gewandt. Der Fall aus dem Jahr 2005 beschäftigt 
zurzeit das Bochumer Landgericht.
Ein Fall von vielen, einer aus der direkten Nachbarschaft. Justin
liegt auf dem Bochumer Hauptfriedhof begraben. Traurige Realität in 
einem aufgeklärten Land, in einem, das sich immer noch Sozialstaat 
nennt. Für Heinz Hilgers, den Präsidenten des Deutschen 
Kinderschutzbundes, sind spektakuläre Fälle wie diese Anlass, Alarm 
zu schlagen. Die Gewalt gegen Kinder nehme dramatisch zu. Dies sei 
nicht, wie manche behaupteten, ein Ergebnis erhöhter Aufmerksamkeit 
für dieses Thema, es stehe vielmehr in direktem Zusammenhang mit 
steigender Armut und Arbeitslosigkeit. Vernachlässigte Kinder wüchsen
fast ausschließlich in Familien auf, die von Hartz IV und 
Perspektivlosigkeit betroffen seien.
Zahlen, die nur schwer zu überprüfen sind. Denn Statistiken über 
Vernachlässigungen gibt es nicht. Nun wagen sich Sozialminister 
Laumann und Familienminister Laschet mit einer Art konzertierten 
Aktion an das Thema heran. Kinderärzte sollen künftig all jene Eltern
den Gesundheitsämtern melden, die regelmäßig die 
Vorsorgeuntersuchungen für ihre Kinder wahrnehmen. Damit man, nach 
dem Ausschlussprinzip, jene erkennt, die ihre Kinder nicht regelmäßig
durchchecken lassen. Klingt gut. Noch besser die Idee, künftig Fibeln
zu verteilen, mit Tipps und Anregungen für junge Eltern. Die Aufgabe,
diese Fibeln bei Hausbesuchen zu verteilen, sollen die Mitarbeiter 
der Jugendämter übernehmen und so persönlich in Kontakt zu den jungen
Familien treten, um Vernachlässigungen rechtzeitig zu erkennen. 
Inklusive der Fibeln ist dies den beiden Ministern sage und schreibe 
drei Millionen Euro wert. Da mag man sich gar nicht das Jubeln in den
seit Jahren durch Kürzungen drangsalierten Jugendämtern vorstellen. 
Drei Millionen Euro für knapp 400 Gemeinden. Das ist doch was!

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 30.01.2007 – 19:49

    WAZ: TÜV-Report lobt deutsche Autos: Besser als ihr Ruf - Kommentar von Gerd Heidecke

    Essen (ots) - Abseits der Diskussion um den zu hohen Verbrauch und CO2-Ausstoß ihrer Flotte produziert die heimische Autoindustrie positive Schlagzeilen am Fließband. Im neuen TÜV-Report schneiden deutsche Autos besser ab als je zuvor, und die in den 90er Jahren wegen mangelhafter Billigqualität in Verruf geratene Marke Opel stellt den Gesamtsieger. Auch in ...

  • 29.01.2007 – 19:30

    WAZ: Kindernot wird ignoriert: Wo genaues Hinsehen einfach stört - Leitartikel von Hendrik Groth

    Essen (ots) - Das Aufmacherbild der heutigen Seite Eins macht wütend. Ein kleiner Junge sitzt in einer Koranschule, gefesselt mit einer Eisenkette. Automatisch beginnt der Betrachter das Bild zu interpretieren. Das Unrecht schaut uns mit Kinderaugen an. Schnell sind Schuldige gefunden. Sind die Eltern verantwortlich oder etwa die islamischen Geistlichen? Ist ...

  • 29.01.2007 – 19:28

    WAZ: Was kommt nach der Kohle? Keine Zeit zum Hadern - Leitartikel von Stefan Schulte

    Essen (ots) - Das Aus für die Kohle kommt. Aus bundesdeutscher Sicht musste es kommen. Dennoch sollte es dem Ruhrgebiet gestattet sein, für einen Moment innezuhalten, zu fragen, was denn nun wird. Denn eines steht fest: Die Arbeitsplätze eines für das Revier nicht mehr entscheidenden, aber noch immer großen Wirtschaftszweigs gehen der Region strukturell ...