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WAZ: Hartz und der "Deal" vor Gericht: Ein Urteil à la carte - Leitartikel von Ulf Meinke

Essen (ots)

Das Urteil der öffentlichen Meinung dürfte Peter
Hartz härter getroffen haben als die juristische Strafe. In gewisser 
Weise hatte der Hartz-Prozess längst begonnen, als die offizielle 
Anklage noch weit entfernt war. Und doch: Selbst nach dem Urteil des 
Landgerichts Braunschweig ist die Akte Hartz noch nicht geschlossen. 
Denn die Bewährungsstrafe dürfte abermals eine Debatte anstoßen, 
diesmal über das Für und Wider so genannter "verfahrensbeendender 
Absprachen", die selbst Juristen als "Deals" bezeichnen.
Mit dem Mannesmann-Verfahren und dem Hartz-Prozess sind es 
bezeichnenderweise zwei Wirtschaftsprozesse, die politische 
Diskussionen über einen vermeintlichen Handel mit der Gerechtigkeit 
entfacht haben. Peter Hartz muss nicht ins Gefängnis, Josef Ackermann
gilt juristisch als unschuldig. Was, werden sich viele Menschen 
fragen, muss man denn noch tun, damit Gerichte "im Namen des Volkes" 
Freiheitsstrafen verhängen? Wird bei Bossen und Bürgern etwa mit 
zweierlei Maß geurteilt? Gibt es gar ein Reichenrecht, das es gut 
betuchten Prominenten ermöglicht, sich auch gegen schwerste Vorwürfe 
freizukaufen?
Ja, der "Deal" gehört zum Strafprozess, auch wenn er - zu Recht -
ein umstrittenes Instrument im Alltag der vielfach überlasteten 
Gerichte darstellt. Peter Hartz hat die Möglichkeiten dieser 
juristischen Praxis für sich genutzt und ein umfassendes Geständnis 
abgelegt. Im Gegenzug konnte er einen kurzen Prozess erwarten - ohne 
peinliche Aussagen von Prostituierten oder zweifelhaften 
Geschäftspartnern. Wohlgemerkt: Ein mildes Urteil nach einem 
eindeutigen Schuldeingeständnis ist kein Promi-Privileg. Diese Regel 
gilt nicht nur für Hartz, sondern auch für einen Hühnerdieb. Fatal 
allerdings ist, dass die Verfahren um Hartz und Ackermann einige 
Skepsis gegen den Rechtsstaat schüren. Hartz wollte (um seinen Ruf zu
retten) das Rotlichtmilieu vor Gericht heraushalten, Ackermann wollte
(um Bankchef zu bleiben) auf jeden Fall eine Verurteilung umgehen. 
Jeweils mit Erfolg. Beide Manager mussten zahlen - und erhielten doch
ihr Urteil à la carte.
Dies erzeugt, nun ja, einen gewissen Erklärungsbedarf. Denn es 
läuft etwas falsch, wenn im Hinterzimmer ausgehandelt wird, was bei 
Lichte besehen auf Unverständnis stößt. Klar ist: Es darf auch nicht 
der Hauch eines Verdachts entstehen, dass in Deutschland eine 
Kungeljustiz entscheidet. Deshalb sind klarere Regeln für die 
"verfahrensbeendenden Absprachen" ebenso zwingend erforderlich wie 
größere Sensibilität der beteiligten Juristen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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