Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Grenzen eines Staatsoberhauptes: Ärger über den Bundeshorst - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Was darf ein deutscher Präsident? Darf er sich mit
der Wucht einer meterhohen amerikanischen Landmaschine ins Feld 
stürzen, um niederzumähen, was sich ihm entgegenstellt? Oder ist er 
nicht viel mehr als eine Art Ersatzkaiser verpflichtet, aufs bloße 
Staatsmännische, auf die salbungsreiche Geste der Unverbindlichkeit? 
Die Wahrheit liegt in der Mitte.
Selbstredend ist es ungewöhnlich, wenn Horst Köhler zu einer 
arbeitsmarktpolitischen Kleinigkeit wie dem Alg I Stellung bezieht. 
Genau genommen hat er hier nichts verloren, ist es doch Sache von 
Parlament und Regierung, über derlei Dinge zu befinden. Richtig ist 
auch die alte Weisheit, wonach derjenige, der sich in die Küche 
begibt, auch die Hitze aushalten muss. Würde der Bundespräsident sich
täglich zu einem aktuellen Thema einlassen, dann würde er auf eine 
nicht akzeptable Art sein Amt beschädigen. Denn von der Konstruktion 
her steht der Präsident aus gutem Grund als Staatsoberhaupt über den 
Parteien.
Freilich verhält es sich mit der Diskussion um das Alg I anders. 
Längst hat sie eine grundsätzliche Dimension erreicht. Inzwischen 
geht es auch um die Richtung der Politik: Mehr umverteilender und 
fürsorgender Sozialstaat oder weiter mit eher liberalen Reformen. Vor
diesem Hintergrund verwundert Köhlers Einmischung nicht. Der Mann war
immer schon ein liberaler Ordnungspolitiker, einer der wenigen zumal,
der in der Lage ist, politische Einzelentscheidungen auf ihren 
grundsätzlichen Kern zurückzuführen. Nichts anderes hat Köhler in 
seiner Reaktion auf Rüttgers getan.
Und in der Sache ist Köhlers Einwand allzu berechtigt. Die 
wirtschaftliche Vernunft gegen ein bloßes Gerechtigkeitsgefühl zu 
verteidigen, das wäre eine größere Debatte wert. Umso mehr verwundert
doch, wie sich die Größen der Union vor dem Präsidentenwort ins 
Unverbindliche flüchten. Vor ihrem Parteitag am Wochenende geht es 
der Union vor allem um ihre Ruhe.
Präsidenten haben nur wenige Machtmittel. Ihr größtes ist das 
Wort. Wollen sie ernstgenommen werden, kommen sie ohne Provokationen 
nicht aus. Diese haben umso mehr Wirkung, je stärker sie sich an die 
eigene Partei richten. Richard von Weizsäckers Rede zum 8. Mai 1945 
war eine Provokation für die CDU, Johannes Raus Hinweis auf die 
Illusion der Multikulturalität löste bei den Linken Befremden aus. Es
sind solche Einmischungen, von denen die Demokratie lebt. Insofern 
liegt Köhler mit seiner Mahnung, auf liberalem Reformkurs zu bleiben,
richtig.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 22.11.2006 – 19:23

    WAZ: Ein Jahr Kanzlerin Merkel: Es gibt auch positive Zeichen - Kommentar von Angela Gareis

    Essen (ots) - Man erinnert sich an Gerhard Schröder, wie er am Abend der Bundestagswahl in die Wohnzimmer der Republik höhnte: "Die sagt, sie will Bundeskanzlerin werden. Ich meine, wir müssen die Kirche im Dorf lassen." Angela Merkel ist nun ein Jahr lang Bundeskanzlerin, und die Kirche ist im Dorf geblieben. Die Illusionen über die Möglichkeiten dieser ...

  • 22.11.2006 – 19:19

    WAZ: Umweltzone Ruhrgebiet: Keine Konserve - Kommentar von Jürgen Polzin

    Essen (ots) - Die Städte im Ruhrgebiet können nun selbst entscheiden, ob sie im Umwelt- und Gesundheitsschutz den kurzen oder langen Weg nehmen wollen. In wenigen Jahren werden die EU-Grenzwerte für Staub und Stickoxide noch einmal verschärft. Dabei läuft das Revier schon jetzt in beiden Kategorien dem Erlaubten hinterher. Seit nunmehr fast zwei Jahren sind ...