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WAZ: Briten sagen EU-Referendum ab: Ans Eingemachte - Leitartikel von Ulrich Schilling-Strack
Essen (ots)
Großbritannien hat die EU-Verfassung beerdigt. Die Grabrede war höflich, aber am Ergebnis ändert das nichts. Verschieben heißt in diesem Fall nichts anderes als: Abschied für immer. Jetzt geht es sogar ans Eingemachte. Auch eine grundsätzliche Überprüfung der europäischen Idee scheint auf der Insel nicht mehr abwegig. Schon deshalb sollte sich Brüssel nun möglichst schnell aus der Diskussion um die Verfassungskrise verabschieden. Jeder weitere Tag spielt dem harten Kern der EU-Gegner auf der Insel in die Hände. Manch krampfhafter Versuch in den letzten Tagen, das eindeutige Votum zweier Gründungsmitglieder noch irgendwie umzudeuten, war Wasser auf die Mühlen dieser Skeptiker. In Großbritannien traute man den Brüsseler Bürokraten noch nie über den Weg. Man wittert immer und überall Tricks und fühlt sich erinnert an den Zank um den Erweiterungsvertrag. Der wurde den irischen Nachbarn so lange vorgelegt, bis es doch noch eine Mehrheit gab. Innenpolitisch war der Ausstieg aus dem Ratifizierungsprozess ein kolossaler Befreiungsschlag. Tony Blair stand in der Europafrage unter Druck. Angesichts des verbreiteten Misstrauens unter den Briten wurden konkrete Maßnahmen wie etwa ein Beitritt zur gemeinsamen Währung immer wieder verschoben. Ein Referendum über die EU-Verfassung hätte sich gar zur Nagelprobe des angeschlagenen Premierministers entwickeln können. Ein Sieg war schon immer unwahrscheinlich. Nach der Abstrafung in Frankreich und den Niederlanden gab es überhaupt keine reelle Chance mehr. Ein Durchpeitschen des Volksabstimmungspro-zesses hätte den Schaden noch vergrößert und die Amtszeit des Premierministers vielleicht sogar vorzeitig beendet. Offiziell wird man das kaum zugeben, aber es stimmt trotzdem: Es kommt Tony Blair durchaus gelegen, dass die EU-Verfassung schon kaum noch Lebenszeichen zeigte, ehe sie Großbritannien überhaupt erreichen konnte.
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