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WAZ: Benedikt XVI. verabschiedet sich in großer Demut - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Wir sind Papst. Diese "Bild"-Schlagzeile war von Anfang an Illusion. Joseph Ratzinger hat noch nie in seinem Leben getaugt als eine Art nationaler Fußball-Stürmerstar. In den vergangenen acht Jahren war zu besichtigen, dass die große Bühne, der inszenierte Triumph, die Begeisterung von Menschenmassen gerade nicht die Stärke des deutschen Professors auf dem Stuhle Petri war. So paradox es klingt - Joseph Ratzingers stärkste Zeit war die 20-jährige Doppelspitze mit seinem polnischen Vorgänger Johannes Paul ll. Hier der Kämpfer und Charismatiker Johannes Paul, an seiner Seite, aber im stets erwünschten Hintergrund bleibend, des Papstes bester Denker, von diesem selbst ins Amt geholt als Chef der Glaubenskongregation. Tugendwächter, so verstand und versteht sich Benedikt. Der es sich zur Aufgabe gemacht hat, seinen Glauben sicher durch die Zeit zu bringen, wird ein Erneuerer nicht sein wollen. Frauen in der katholischen Kirche gleich zu behandeln, hätte vielleicht gerade einer vom theologischen Kaliber Ratzingers fertigbringen können. Das hätte aber einen Mut erfordert, der Ratzingers Charakter nicht entspricht, auch hätte er sich über die, aus seiner Sicht, bewährte Liturgie hinwegsetzen müssen. Gerade deutsche Hoffnungen hat Ratzinger enttäuscht. Als Mann der Ökumene, als christlicher Einheitsstifter hat er sich nie verstanden. Man hat noch das Bild im Kopf, wie ein völlig desillusionierter EKD-Ratspräsident Nikolaus Schneider auf dessen Deutschlandbesuch neben dem Papst sitzt, der unmittelbar zuvor die Grenzen zwischen Katholizismus und Protestantismus unmissverständlich gezogen hatte. Man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, orthodoxe Katholiken, wie etwa jene in Russland, stünden dem Papst näher als die Protestanten in seinem Geburtsland. In jetzt 30 Jahren hat Joseph Ratzinger Kirchengeschichte geschrieben. Als Mitgestalter des Zweiten Vatikanischen Konzils (Ratzingers "Frontmann" Mitte der 60er-Jahre war auch ein Charismatiker - Kölns Kardinal Frings). Als Chef der Glaubenskongregation und in den vergangenen Jahren als Papst. Von beeindruckender Souveränität zeugt Benedikts Abgang im Vollbesitz seiner geistigen, aus Respekt vor seiner geschwundenen körperlichen Kraft. Nach getaner harter Arbeit verabschiedet sich in großer Demut der erste Diener seines Herrn.

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