Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Urteil zu "spickmich.de" - Das Netz braucht Verantwortung - Leitartikel von Frank Stenglein

Essen (ots)

Das Internet hat alles verändert, ob zum Guten oder
Schlechten ist eine Frage der Perspektive. Wer als Lehrer bei 
"spickmich.de" hart rangenommen wird, dürfte die Publizitätschancen 
anonymer Schüler mit Zorn betrachten. Der selbe Lehrer mag es aber 
nützlich finden, bei der Urlaubsplanung und der Wahl eines Hotels 
seinerseits namenlose Bewertungen zu berücksichtigen. Das wiederum 
finden Hoteliers nicht so toll, die ihrerseits vielleicht Handwerker 
bewerten. Und so weiter, und so fort.
Internet-Nutzer sind eben mal Opfer und mal Täter, wenn es um die
subjektive, die meinungsgetriebene Seite geht, die im Netz viel Raum 
einnimmt. Man soll das nicht bagatellisieren. Da immer etwas 
hängenbleibt, ist es ein Problem, wenn Häme, üble Nachrede, Hass und 
kenntnisfreie Ressentiments das Klima vergiften. Nicht nur in 
Bewertungsportalen, auch in den User-Kommentaren journalistischer 
Online-Formate kann man reichlich Erbärmliches lesen, das fast immer 
im Schutz der Anonymität entstand.
Die Idealisten liegen also falsch, wenn sie den Segen der 
Schwarm-Intelligenz unkritisch feiern. Aber auch die Zyniker haben 
Unrecht, die in der Masse diskutierender Nicht-Fachleute nur Dummheit
erkennen. Wenn man den geistigen Schmutz beiseite schiebt, bieten 
Spickmich und Co. durchaus auch denen etwas, die Bewertungen ihrer 
beruflichen Leistung reflexhaft ablehnen. Wer finden will, wird 
Nachdenkenswertes finden. Das erfordert allerdings eine Souveranität,
die nicht jedem eigen ist und die am wenigsten da existiert, wo es 
klare Macht-Hierarchien gibt. Und wo gäbe es klarere als zwischen 
Lehrer und Schüler?
Anonymität ist erst mal Mist, keine Frage. Wer eine Meinung hat, 
soll offen dafür einstehen. Manchmal ist Anonymität aber Notwehr 
gegen machtgestützte Ignoranz. Das kann bei schlechtem Unterricht 
gelten, das gilt vor allem da, wo es um unendlich viel Ernsteres 
geht. Im Iran lässt sich gerade die Macht besichtigen, die eine 
waffenlose Zivilgesellschaft mit Hilfe der freien Information im Netz
zu entfalten vermag.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut - das hat der 
Bundesgerichtshof im Spickmich-Urteil unterstrichen. Das Internet hat
dieses Recht technisch in neue Dimensionen befördert, niemand wird 
das je zurückdrehen. Erwarten muss man aber, dass die 
Verantwortlichen ihre Portale nach Kräften sauber halten. Wo der 
Streit um die Sache umschlägt und die Verletzung der Persönlichkeit 
überhand nimmt, hört der Spaß auf. Und da muss notfalls der Richter 
ran.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 23.06.2009 – 17:52

    WAZ: Diätenerhöhung verschoben - Ein kleines Zeichen - Leitartikel von Theo Schumacher

    Essen (ots) - Gemessen am Rekordschuldenstand des Landes, der sich mit dem Haushalt 2010 abzeichnet, hat die Ersparnis bei den Diäten die Bedeutung von "Peanuts". Doch gemessen am Symbolwert, mit dem die Debatte über Bezüge der Abgeordneten stets aufgeladen wird, bedeutet ihr halbjähriger Verzicht mehr. Er setzt ein kleines Zeichen in der Krise und sollte all ...

  • 23.06.2009 – 17:50

    WAZ: Grausame Logik - Kommentar von Walter Bau

    Essen (ots) - Nur wenige Tage nach der Ermordung zweier deutscher Frauen im Jemen schockt eine neue Todesnachricht die deutsche Öffentlichkeit. Der Tod von drei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan rückt den Krieg am Hindukusch auf fatale Weise in den Fokus. Die Eskalation kommt nicht aus dem Nichts. Überraschen kann diese Entwicklung nur jene, die in den letzten Monaten lieber nicht so genau hinsehen wollten. ...

  • 23.06.2009 – 16:29

    WAZ: Auch in NRW Streit über den Ladenschluss

    Essen (ots) - In Nordrhein-Westfalen gibt es Bestrebungen, die Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen auszuweiten. Die FDP in NRW bekräftigte ihre Forderung, Bäckereien und Blumengeschäften auch am ersten Weihnachtstag sowie am Oster- und Pfingstsonntag den Verkauf zu erlauben. "An diesen Familientagen sollen Millionen Bürger nicht auf frische Brötchen und Blumen verzichten müssen", sagte ...