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WAZ: Was alles zur Kultur gehört - Versuch es mal mit Duldsamkeit. Leitartikel von Gudrun Norbisrath

Essen (ots)

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit, hat Karl
Valentin gesagt. Das ist, wie so vieles bei dem großen dialektischen 
Humoristen, nur vordergründig komisch. Denn manchmal macht Kunst 
nicht nur bei der Herstellung Arbeit, sondern auch beim Lesen, Hören 
und Betrachten. Das hat die Kunst manchem suspekt gemacht, als wäre 
sie nur für reiche Müßiggänger und intellektuelle Eierköpfe. Was 
grundfalsch ist.
Als das Ruhrgebiet für 2010 den Titel Kulturhauptstadt glücklich 
erkämpft hatte, wurden als erstes populäre Feste geplant. Die Folge 
war ein großes Kopfschütteln, auch Enttäuschung. Eine 
Kulturhauptstadt, die einen Esstisch auf die A 40 stellt? Die Events 
haben die Kultur ebenso in Verruf gebracht wie das, was die einen 
begeistert, die anderen abfällig Hochkultur nennen.
Beide Sichtweisen haben eins gemeinsam: Sie sind eng und 
unduldsam, und das verträgt Kunst gar nicht.
Die strenge Unterscheidung von Kunst und Kultur hat sich 
gelockert, und beide sind vielseitig genug, das zu ertragen. Wie sich
das Theater wandelt und immer bunter, immer eigenwilliger wird, so 
verändert sich auch die Einschätzung, was zur Kultur gehört. Nämlich 
nicht nur Goethe, Beethoven und Rembrandt, sondern auch Essen und 
Trinken, Mode und Design. Fußball und Taubensport. Das gefällt nicht 
jedem, aber das ist auch nicht nötig.
Was Kultur ist, definiert jede Gesellschaft immer wieder neu. 
Darüber hinaus hat jeder die Freiheit, sich zu entscheiden. Um auf 
Karl Valentin zurück zu kommen: Es ist nach einem langen Arbeitstag 
nicht immer eine Freude, still in einem Konzert zu sitzen. Besser: Es
ist nicht für jeden eine Freude; mancher wird gerade durch den 
intensiven Musikgenuss entschädigt für Stress und Ärger. Das kann man
ihm lassen, auch wenn man es nicht nachvollziehen kann. Genauso hat 
aber die Freude an leichter Unterhaltung ihr Recht. Es gibt keine 
Verpflichtung zu ernstem Vergnügen und keine zur ständigen Bildung, 
für niemanden.
Was Kunst, was Kultur braucht, ist liebevolle Toleranz. Auch 
Großzügigkeit kann nicht schaden. Das wäre was: wenn Krimi-Leser und 
Lyrik-Freunde, Fans von Herbert Knebel und David Bösch, 
Klavier-Begeisterte und Rocker sich nicht nur gegenseitig 
akzeptierten, sondern neugierig würden auf das, was der andere liebt.
Wenn die Kulturhauptstadt es schaffen würde, die Arroganz zu 
verdrängen und den Willen zum Verständnis aller nur möglichen Kultur 
zu fördern - es wäre zu schön, um wahr zu sein.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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