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WAZ: Start zum Bundestags-Wahlkampf - CDU und SPD mühen sich um soziales Profil - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Auch die fulminante Aufholjagd der hessischen
SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti kann nicht darüber 
hinwegtäuschen, dass die Erosion der großen Volksparteien 
voranschreitet. Die hessischen Sozialdemokraten starteten erstens auf
einem sehr niedrigen Niveau, und sie fuhren zweitens ihr 
zweitschlechtestes Ergebnis in Hessen ein. Der reflexartige Jubel der
Union wird ebenfalls schnell abebben: Der alte und neue 
Ministerpräsident Christian Wulff hat in Niedersachsen fast sechs 
Prozentpunkte verloren - in ihrer Analyse für Hessen redet die CDU 
nicht drumherum und spricht zielgenau von einem Desaster.
Beide Parteien sind Getriebene der Gerechtigkeitsfrage. 
Globalisierung, Altersarmut, Nokia, Manager-Gehaltsexzesse, 
Bankenkrise: So unvergleichbar all diese Themen auch sind - für viele
Menschen sind diese Ereignisse das Ergebnis einer grassierenden 
Sozialspaltung, die wenige begünstigt, viele benachteiligt und noch 
mehr in Abstiegs- und Zukunftsängste stürzt. Dazu passt der Trend, 
dass die Deutschen den Wert der Handlungs- und Entscheidungs-Freiheit
theoretisch zu schätzen wissen. Sobald es um die praktische Umsetzung
geht, wechseln sie aber mittlerweile mehrheitlich die Perspektive und
rufen nach dem Staat, der für Gerechtigkeit sorgen soll.
Die Linke hat als erste Partei konsequent auf diese Gemütslage 
reagiert und sich zur Partei der sozialen Entrüstung entwickelt: Wir 
haben die Entwicklung als Problem erkannt, und wir stemmen uns 
dagegen. Auf dieses Signal haben offenbar viele Menschen gewartet. 
Nicht, dass die SPD diese Wilderei in ihrem Themenrevier nicht ernst 
nehmen würde. Der von Parteichef Beck verordnete Linkskurs ist die 
Reaktion darauf. Und doch stecken die Sozialdemokraten in der Falle. 
Denn in der Wahrnehmung vieler Menschen hinkt die SPD hinterher, gilt
sie nicht mehr als das beschützende Original.
Es sind keineswegs nur Randgruppen oder verträumte 
Sozialaktivisten, die über Gerechtigkeit diskutieren - diese Debatte 
findet in der Mitte der Gesellschaft statt. Entsprechend heftig 
drängt die CDU in diese Richtung. Mindestlöhne, Ökologie statt 
Ökonomie, ein neues Unterhaltsrecht mit einer Aufwertung von 
erziehenden Ex-Ehefrauen: Kanzlerin Merkel geht mit immer größeren 
Schritten auf die SPD zu. Damit wächst die Gefahr, einen Teil der 
ur-christdemokratischen Klientel zu verlieren. CDU und SPD, beide 
wissen: Gerechtigkeit bedeutet Macht. Der Kampf um ein soziales 
Profil wird eines der beherrschenden Themen des Bundestags-Wahlkampfs
sein.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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