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WAZ: Über Politik und Unterhaltung Gibt es noch richtige Typen? - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Gestern rief das Radio an. Wollte wissen, ob die
Politik nicht immer farbloser werde, was auch daran liege, dass es 
kaum noch Charakterdarsteller gäbe, anders als damals, bei Brandt, 
Schmidt, Strauß usw. Nun kann man solche Fragen stellen, irgendwas 
muss gesendet werden; und Sommerloch ist schließlich auch.
Es geht also um den Unterhaltungsfaktor von Politik. Davon wollen
viele Menschen nichts wissen, denn sie halten Politik für ein 
seriöses, mindestens unterhaltungsfernes Geschäft. Selbstredend ist 
eine Debatte über Details der Pflegeversicherung oder der Postreform 
so unterhaltsam wie das Telefonbuch und dennoch nötig. Aber dies ist 
noch kein Beweis dafür, dass Politik und Unterhaltung zwei Welten 
sind. Das Gegenteil ist richtig. Man mag es beklagen, aber Politik 
ist einem breiten (oft nicht Zeitung lesenden) Publikum nur noch über
zwei Wege vermittelbar: über Dramatisierung oder eben Unterhaltung. 
Jedenfalls sind davon die Politikdarsteller selber überzeugt.
Wäre das anders, die Kanzlerin hätte sich nicht über Monate 
hinweg bei den jeweiligen Fortschritten ihrer Frisur ablichten lassen
müssen. Der Umweltminister müsste sich nicht bei dem für einen doch 
eher unsportlichen Typ ungeeigneten Versuch fotografieren lassen, 
einen großen Felsen heraufzuklettern. Der Landwirtschaftsminister, 
der eine zeitlang das Etikett bio-dynamisch auf einseitige, für 
CSU-Leute eher unvorteilhafte Weise interpretierte, hätte es nicht 
nötig, seine Fortschritte bei der Zusammenführung der alten 
Kernfamilie von der Bild-Zeitung auf dem Tennisplatz im Bild 
festhalten zu lassen.
Und was die angebliche Typen-Armut anbelangt: Es gibt sie nicht. 
Auch darum nicht, weil wir Medien Helden lieben. Und Anti-Helden. Wie
Kurt Beck neuerdings, mit dem wir zeilenlang leiden. Oder Edmund 
Stoiber, den man nicht einmal mehr bei seinem Abtreten karikieren 
muss. Das Politik-Publikum mag Helden auch und verteilt seine 
flüchtige Gunst derzeit besonders einseitig auf Angela Merkel. Von 
der Kanzlerin wird stets gemeint, sie agiere als 
Konsens-Regierungschefin naturwissenschaftlich nüchtern und damit 
blass. Schon vergessen, die absolut profihafte Inszenierung der 
Merkel als Retterin des Weltklimas und der Europäischen Verfassung?
Politik ist eher langweilig. Straßenfeger gibt es selten. Darum 
die Inszenierungen. Das aber war zu keiner Zeit anders. Und die 
Typen, die gibt es immer. Jede Zeit bringt ihre ganz speziellen 
hervor. Warum sollte man das dem Radio verschweigen?

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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