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BERLINER MORGENPOST: Richtige Entscheidung
Michael Backfisch zur Vergabe des Friedensnobelpreises

Berlin (ots)

Gefühlt die halbe Menschheit hat der schwedischen Klimaschützerin Greta Thunberg die Daumen für den Friedensnobelpreis gedrückt. Doch viele haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gefleht: Hoffentlich bekommt sie ihn nicht.

Die 16-Jährige hat die Auszeichnung zu Recht nicht erhalten - aus mehreren Gründen. Laut dem Testament des Stifters Alfred Nobel soll gewürdigt werden, wer "am besten für die Verbrüderung der Völker" und "die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere" gewirkt hat. Diese Kriterien treffen auf Greta Thunberg nicht zu. Die Umweltaktivistin hat weder einen Beitrag zur Lösung der Konflikte in Syrien, am Persischen Golf oder im Jemen geliefert, noch hat sie einen anderen politischen Spannungsherd abgemildert.

Was man Greta Thunberg zugutehalten muss: Sie ist ein Katalysator für weltweite Diskussionen über Klimapolitik. Sie hat an vielen Orten das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Begrenzung von Treibhausgasen geschärft. Und sie hat die Defizite des klassischen Politikbetriebes offengelegt. Missionarischer Eifer - und sei er auch für eine noch so gute Sache - ersetzt aber nicht das mühsame politische Ringen zwischen Washington, Rio, Neu-Delhi und Peking.

Vor diesem Hintergrund ist der Friedensnobelpreis für den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed eine nachvollziehbare Entscheidung. In Afrika sind autokratische Regime, korrupte Gesellschaften und Bürgerkriege der Normalzustand. Abiy hat umfassende Reformen im Osten des Kontinents in Angriff genommen. Er löste Schritt für Schritt die Fesseln in dem Vielvölkerstaat, der jahrelang mit harter Hand geführt worden war. Der 43-jährige Regierungschef beendete den Ausnahmezustand, ließ politische Gefangene frei, strich Oppositionsgruppen von der Terrorliste und liberalisierte die Wirtschaft.

Ein außenpolitisches Meisterstück ist der Abschluss des Friedensvertrags mit dem Nachbarstaat Eritrea im Juli 2018. Beide Länder, die in einen blutigen Grenzkrieg mit rund 70.000 Toten verstrickt waren, reichten sich die Hand. Die Symbolkraft dieser historischen Versöhnung reicht über Äthiopien und Eritrea hinaus. Abiys Kurs des Ausgleichs sorgte im krisengeschüttelten Sudan zumindest für eine Stabilisierung.

Das Nobelkomitee hat den politischen Mut Abiys anerkannt. Die Messlatte für den Preis war in der Vergangenheit nicht immer erkennbar. So haben sich die Juroren zuweilen von einer hohen Erwartungshaltung mitreißen lassen. Bei der Verleihung des Preises an den frischgebackenen US-Präsidenten Barack Obama 2009 etwa waren viele Vorschusslorbeeren im Spiel. Nach der Militarisierung der amerikanischen Außenpolitik unter George W. Bush wurde Obama zur riesigen Projektionsfläche für Sehnsüchte. Am Ende stand oft Desillusionierung.

Auch bei der Auszeichnung der 17-jährigen pakistanischen Schülerin und Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai 2014 ließ sich das Nobelkomitee von Illusionen leiten: Man sah in dem Mädchen, das den islamistischen Talibanmilizen im Kampf für Bildung die Stirn geboten hatte, ein Vorbild für die Dritte Welt. Doch Malalas Heimatland Afghanistan versinkt heute wieder im Chaos von Warlords, Clans und Korruption.

Der äthiopische Premier Abiy Ahmed hat ein Werk begonnen, das noch lange nicht zu Ende ist. Politische Widerstände, ethnische Spannungen und die Obstruktion der Kräfte, die sich die alte Ordnung zurückwünschen, werden ihm das Leben schwer machen. Aber der Friedensnobelpreis will ein Zeichen setzen. In einer Welt, in der es von Gewalt, Kriegen und Autokraten wimmelt, gibt es Hoffnung - ein bisschen zumindest

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