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BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum humanitären Libyen-Einsatz

Berlin (ots)

In jedem Gespräch mit Europäern oder Amerikanern (mit Israelis allemal, aber auch mit indischen Diplomaten, wie die Autorin in dieser Woche erlebte) steht seit der fatalen Enthaltung der Deutschen im UN-Sicherheitsrat vor wenigen Wochen die Frage im Raum: Warum nur, Deutschland, warum? Das Kopfschütteln darüber hielt lange an. Etwas war zu Bruch gegangen, ein Band ist gerissen, eine gewachsene Gewissheit geschwunden, und keiner sage, das sei nicht so wichtig. Die Deutschen sind nicht mehr verlässlich, wie sie dies all die Jahrzehnte nach dem Ende des Weltkrieges bestrebt waren zu werden und dann auch geworden sind. Sie beunruhigen, in der Nato, in der EU. Man dachte, man sei weiter gekommen, wo es doch angesichts einer mehr und mehr global vernetzten Welt tatsächlich um Weltinnenpolitik geht. Doch nun hört man wieder das Geraune von deutschen Sonderwegen und Ohnemicheln, von Gesinnungsethik, von Zwergenmut und kindischer Einfalt. Wer das nicht zur Kenntnis nehmen will, wer das gar wegwischen will, kennt nicht die Nuancen der internationalen Beziehungen, weiß nichts von deren feinen Usancen. Warum also scherten ausgerechnet die Deutschen aus dem Bund der freien Welt aus, als es darum ging, Maßnahmen zu ergreifen, um dem libyschen Diktator in dem Moment in den Arm zu fallen, da seine Bevölkerung vor seiner Gewalt nicht mehr sicher war? Binnenrepublikanisch gab es ein Bündel an Erklärungsversuchen und Rechtfertigungen, die sicherlich nicht alle von der Hand zu weisen sind, hatte die schwarz-gelbe Regierung doch schon bei anderen Auslandseinsätzen eher defensiv und unwillig agiert, denkt man an Afghanistan. Zudem war die Skepsis über die Flugverbotszone gegen Libyen von Außenminister Westerwelle mehrfach artikuliert worden, und auch die Exit-Strategie war und ist äußerst unklar. Und doch: Etwas musste im Falle Libyens geschehen. Tatenlos zuschauen, wie Gaddafi über den gesellschaftlichen Aufstand rast? Das war auch den anfangs zögernden Amerikanern zuwider. Vielleicht war es auch der Gestus der wohlüberlegten Selbstgewissheit, mit dem sich Deutschland dann im Sicherheitsrat enthielt, der viele auf die Palme brachte. Etwas war nicht zu Ende gedacht worden. Man hatte sich losgelöst, war in einem Boot mit Russland und China. Und dann kam das böse Erwachen. Wie konnte man? Hätte man! Hätte man! Dass die Bundesregierung diesem Druck nicht ewig standhalten konnte, war abzusehen. Es hat sie dann doch sichtlich mitgenommen. Die humanitäre Hilfe für Libyen, die Schwarz-Gelb nun mit militärischer Unterstützung leisten will, wenn die UN sie denn bitten, ist genau das, was mit einem deutschen Ja im Sicherheitsrat durchaus hätte kommen können, ganz diplomatisch, ganz dezent. Man macht nicht bei den Luftangriffen mit, die Deutschen helfen im Rahmen der EU logistisch. So wird diese Hilfe nun schamhaft nachgereicht, kommt durch die Hintertür. Vor Häme sei dennoch gewarnt - die Deutschen sind wieder auf der richtigen Seite, wenn auch auf Umwegen. Doch dass die Politik die Kurve gekriegt hat, ist im Interesse unseres Landes.

Pressekontakt:

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Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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