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Berliner Morgenpost: Kinder haben auch ohne Geld eine Zukunft - Kommentar

Berlin (ots)

Berlins arme Kinder sind noch nicht verloren. 90
Prozent glauben, ihr Leben werde "richtig schön". Fast ebenso viele 
sind überzeugt, "viele Dinge gut zu können", und sie halten die 
Schule für wichtig. Die Kinder wünschen sich nicht Markenklamotten 
und die neuesten Computerspiele, sondern die Liebe der Eltern, 
Anerkennung und gute Freunde.
Zwar werfen die Ergebnisse der von Bayer finanzierten Studie über die
Einstellungen von 168 Sechs- bis 13-Jährigen aus dem Umfeld der 
Arche-Jugendzentren in Hamburg und Berlin-Hellersdorf eine Menge 
Fragen auf. Die wichtigste: Wie unterscheiden sich die Aussagen der 
armen Kinder von den Wünschen der Sprösslinge aus wohlhabenden 
Familien? Wenn elf Prozent der armen Kinder für sich nicht an ein 
schönes Leben glauben, könnte dieser Anteil unter frustrierten und 
vernachlässigten Wohlstandskindern ebenso groß sein. Hier besteht 
noch Aufklärungsbedarf, um ein belastbares Bild der Bedürfnisse von 
Berlins Kindern zu zeichnen.
Aber für die Berliner Bildungs- und Jugendpolitik liefert die 
Befragung der Arche-Kinder doch einige Hinweise. In jungem Alter sind
Kinder noch erreichbar. Das düstere Szenario von Verwahrlosung und 
schulischem Misserfolg, mit dem der scheidende Finanzsenator Thilo 
Sarrazin jüngst die Stadt erschreckte, muss nicht Wirklichkeit 
werden. Die Kinder wollen lernen, sie fordern für sich dauerhafte 
Beziehungen mit Menschen in außerschulischen Projekten, die mögliche 
Defizite des Elternhauses ausgleichen. Ständig wechselnde 
Ein-Euro-Jobber auf dem betreuten Spielplatz oder im Jugendzentrum 
helfen also wenig.
Ein paar Euro mehr für perspektivlose Eltern könnten zwar im 
Einzelfall nützen, sie lösen aber das Problem für die Kinder nicht. 
Dass es möglich ist, auch mit äußerst knapper Kasse seine Kinder 
vernünftig zu versorgen und liebevoll zu erziehen, beweisen Tausende 
von Eltern jeden Tag. Paradoxerweise hilft dabei sogar die Armut der 
Stadt: Gerade in den sozial schwachen Kiezen führt das Fehlen von 
Geld aus Sicht der Kinder offenbar nicht dazu, dass sie aus der 
Gruppe herausfallen. Wo viele wenig haben, braucht man als Armer kein
Stigma zu fürchten.
Anstatt mehr Geld brauchen die armen Kinder von Berlin 
Ganztagsschulen mit verständnisvoller Betreuung, anregende 
Freizeitangebote mit zuverlässigen Ansprechpartnern und die 
Erfahrung, dass ihre Fähigkeiten erkannt und geschätzt werden. Das 
gilt nicht nur für die Kinder, die der umtriebige Arche-Gründer Bernd
Siggelkow immer wieder erfolgreich ins Rampenlicht schiebt.
Die wahre Herausforderung beginnt, wenn die Kinder aufhören, Kinder 
zu sein. Um sie als Jugendliche vor dem Absturz in Schulversagen, 
Frust, Gewalt und Verwahrlosung zu schützen, muss sich die 
Stadtgesellschaft viel stärker um die Neun- bis Zwölfjährigen 
kümmern. Es gilt, die kleinen Brüder und Schwestern der Krawall-Kids 
von heute davor zu bewahren, in die gleiche Spirale zu rutschen wie 
ihre falschen Vorbilder.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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