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Deutsches Institut für Menschenrechte

Gewalt gegen Frauen zu oft tödlich: Entschlossenes Handeln gegen Femizide gefordert

Berlin (ots)

Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ruft die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu einem entschlossenen Kurswechsel der Politik Richtung Prävention auf. Der Schutz von Frauen und Mädchen beginnt lange vor der Tat - Prävention ist der Schlüssel und kann Leben retten.

"Wenn wir heute über Gewalt gegen Frauen sprechen, müssen wir auch über die tödlichen Folgen sprechen", sagt Müserref Tanriverdi, Leiterin der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte. "Femizide sind vermeidbar - wenn Deutschland endlich konsequent handelt."

Aktuelle Zahlen der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt zeigen:

  • Mehr als zwei Frauen oder Mädchen pro Tag werden Opfer eines (vorsätzlich) versuchten oder vollendeten Tötungsdelikts.
  • Deutschland liegt bei geschlechtsspezifischen Tötungen mit 0,89 getöteten Frauen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im europäischen Vergleich erschreckend weit oben.
  • 54 Prozent der weiblichen Opfer von (versuchten oder vollendeten) Tötungsdelikten sind im sozialen Nahraum betroffen - durch (Ex-)Partner oder Familienangehörige.

Ergänzende Auswertungen der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt bestätigen zudem besondere Risikolagen für ältere Frauen beziehungsweise Frauen in Erziehungs- und Betreuungsverhältnissen, insbesondere im Gesundheitswesen (zum Beispiel Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser).

Bisher fehlt es noch immer an einem gemeinsamen Verständnis von Femiziden. Damit sind sie bei Weitem nicht sichtbar genug, um zu vermitteln, wie dringlich es ist, sie zu verhindern und zu bekämpfen. Die Berichterstattungsstelle begrüßt daher die Ankündigung, dass Polizeien von Bund und Ländern eine gemeinsame Definition von Femizid erarbeiten werden. Dabei sollte jedoch der Blick auch auf Kontexte außerhalb von (Ex-)Partnerschaft und Familie gelegt werden.

Andere europäische Länder zeigen, wie Prävention wirken kann. Spanien hat mit einem umfassenden Ansatz seine Femizid-Rate halbiert. Die Erfahrungen aus Spanien zeigen laut Tanriverdi aber auch: "Eine einzelne Maßnahme wie die sogenannte elektronische Fußfessel allein reicht nicht. Deutschland braucht ein Gesamtsystem, das Frauen umfassend schützt."

Deshalb empfiehlt die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt Bund und Ländern dringend:

  • eine bundesweite Femizid-Statistik mit einheitlicher Definition und Erfassung von Motiven,
  • verpflichtende Fortbildungen für Polizei, Justiz und alle relevanten Berufsgruppen,
  • bundesweit einheitliche Standards für Gefährdungsanalyse und Gefahrenmanagement,
  • massive Investitionen in Schutz- und Hilfesysteme,
  • sichere Finanzierung und Ausbau der Täterarbeit,
  • systematische Überprüfung aller Tötungsfälle von Frauen und Mädchen im Kontext geschlechtsspezifischer Gewalt.

"Gewaltschutz muss vorbeugend wirken. Wir brauchen einen Kurswechsel Richtung Prävention", warnt Tanriverdi. "Gleichzeitig gilt: Wenn Gewalt geschieht, dürfen Betroffene nicht allein gelassen werden. Schutzmaßnahmen für Betroffene müssen besser aufeinander abgestimmt werden. Die Politik muss daher den Schutz und die Hilfsangebote konsequent ausbauen und einen Schutzplatz für jede Betroffene garantieren. Nicht erst im Jahr 2032, sondern jetzt." Erst 2032 greift der Rechtsanspruch des Gewalthilfegesetzes vollständig.

Hintergrund:

Trotz klarer Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention bleiben zentrale Schutzmaßnahmen unzureichend, das zeigt das Monitor Gewalt gegen Frauen, welches die Berichterstattungsstelle im Dezember 2025 veröffentlicht hat. Hiernach gibt es:

  • zu wenig Daten: keine bundesweite Femizid-Statistik, keine Erfassung von Tatmotiven;
  • zu wenige Plätze: 2022 konnten Schutzeinrichtungen tausende Frauen nicht aufnehmen, unter anderem wegen Platzmangels;
  • zu wenig finanzielle Absicherung: Im Jahr 2022 waren nur knapp über 14 Prozent der Schutzeinrichtungen sowie nur knapp 7 Prozent der Fachberatungsstellen dauerhaft institutionell abgesichert;
  • zu wenig Täterarbeit: 2022 wurden nur 105 (teil-)landesfinanzierte Einrichtungen für Täter häuslicher Gewalt gemeldet, weniger als eine pro Landkreis;
  • zu wenig verpflichtende Schulungen zu geschlechtsspezifischer Gewalt für die Polizei, für Richterinnen und Richtern ist die Fortbildung gänzlich freiwillig.

Weitere Informationen:

Deutsches Institut für Menschenrechte (2024): Monitor Gewalt gegen Frauen: Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland. Erster Periodischer Bericht. Berlin.

https://ots.de/cKg9XR

Factsheet: Monitor Gewalt gegen Frauen. Zahlen und Fakten zu geschlechtsspezifischer Gewalt

https://ots.de/mYzk1I

Pressekontakt:

Kristal Davidson, Pressesprecherin
Telefon: +49 30 259 359 14
Mobil: +49 160 966 500 83
E-Mail: KDavidson@institut-fuer-menschenrechte.de

www.institut-fuer-menschenrechte.de
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Original-Content von: Deutsches Institut für Menschenrechte, übermittelt durch news aktuell

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