Deutsches Institut für Menschenrechte
"Selbstbestimmung für viele nur ein Wort auf dem Papier"
Junge trans Menschen brauchen Schutz, Respekt und echte Selbstbestimmung
Berlin (ots)
Zu Beginn der Awareness Week im Vorfeld des Trans Day of Rememberance am 20. November erinnert das Deutsche Institut für Menschenrechte an die anhaltend hohe psychische Belastung junger trans Menschen in Deutschland. Trotz des seit etwas mehr als einem Jahr geltenden Selbstbestimmungsgesetzes erleben viele von ihnen Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung - mit schwerwiegenden Folgen insbesondere bei jungen Menschen.
"Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht für alle," sagt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. "Doch viele trans Menschen erfahren in ihrem Alltag das Gegenteil: fehlende gesellschaftliche Anerkennung, Anfeindungen, Isolation. Diese anhaltende Diskriminierungserfahrung wird dann oft auch gegen die eigene Person gerichtet - in Form von Selbstzweifeln bis hin zu Selbstmordgedanken."
Zahlen der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) verdeutlichen das Ausmaß: Mehr als die Hälfte der befragten trans Jugendlichen in Deutschland hatte in dem vorangehenden Jahr Suizidgedanken - bei trans Männern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sogar mehr als 80 Prozent. Mindestens jede vierte jugendliche trans Person hat demnach bereits versucht sich das Leben zu nehmen.
Gerade Schulen sind den Befragten zufolge keine geschützten beziehungsweise schützenden Orte: Rund zwei von drei trans Jugendlichen berichten über Bedrohungen, Spott und Beleidigungen, vielfach auch durch Lehrkräfte. Aber auch Arztpraxen und Krankenhäuser sind vielfach Orte der Diskriminierung - bis ins Erwachsenenalter: Jede fünfte trans Frau hat der Befragung zufolge schon erlebt, dass ihr medizinische Behandlung verweigert wurde. Viele trans Personen scheuen daher aus Angst vor Diskriminierung Einrichtungen der Gesundheitsversorgung.
"Das Selbstbestimmungsgesetz war ein überfälliger Schritt und ein starkes menschenrechtliches Signal," betont Beate Rudolf. "Aber solange gesellschaftliche Anerkennung fehlt und rechtsextreme Akteure gezielt Hass gegen trans Personen schüren sowie ausleben, bleibt Selbstbestimmung für viele Betroffene nur ein Wort auf dem Papier."
Mit Blick auf die bevorstehende Evaluierung des Gesetzes empfiehlt das Deutsche Institut für Menschenrechte, die tatsächlichen Lebensrealitäten von trans Menschen konsequent einzubeziehen. Es gehe nicht allein um Anträge und Verfahren in Behörden und Gerichten, sondern auch um die Frage, ob Betroffene in Schule, Ausbildung, Beruf und Gesundheitsversorgung - sowie in der Öffentlichkeit insgesamt - wirklich selbstbestimmt und sicher leben können.
"Der Trans Day of Rememberance am 20. November mahnt uns, hinzuschauen - und die Stimmen junger trans Menschen ernst zu nehmen," so Rudolf. "Rechtliche Fortschritte dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesellschaftliche Anerkennung noch immer vielerorts fehlt. Die Anerkennung von trans Menschen ist kein Sonderanliegen, sondern entspringt dem Kern der Menschenrechte."
Hintergrund:
Der Trans Day of Rememberance ist ein jährlicher Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer von Trans-Feindlichkeit weltweit.
In Deutschland zeigen die Daten des EU-LGBTIQ-Survey im Auftrag der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) eine anhaltend hohe Belastung und Diskriminierung von trans Personen - insbesondere junger Menschen. Die Befragung wurde zwischen Juni und August 2023 durchgeführt, die Ergebnisse 2024 veröffentlicht.
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