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Lausitzer Rundschau

Lausitzer Rundschau: Urteil des Bundesgerichtshofs im Fall Dennis

Cottbus (ots)

Ist es grausam, ein Kind verhungern zu lassen? Ich
kenne niemanden, der diese Frage nicht mit Ja beantworten würde, 
insbesondere wenn es um Eltern geht, die ihr eigenes Kind über Jahre 
vernachlässigt und langsam zu Tode kommen ließen.
Vor gut einem Jahr fällten die Richter des Cottbuser Landgerichtes 
ein für mich wichtiges Urteil. Sie befanden die Eltern des 
verhungerten Jungen Dennis wegen Mordes schuldig - eben weil sie das 
Verhungernlassen des Sechsjährigen als Grausamkeit und damit als 
Mordmerkmal werteten. Natürlich macht dieses Urteil den bei seinem 
Tod auf nur noch fünf Kilogramm abgemagerten Jungen nicht wieder 
lebendig, aber für viele Eltern war die Einordnung der Tat als Mord 
ein wichtiges und richtiges Zeichen für den Wert eines Lebens.
Jetzt hat der Bundesgerichtshof das Cottbuser Urteil aufgehoben. Die 
Leipziger Richter befanden, dass Dennis wegen jahrelanger 
Mangelernährung nach Expertenmeinung bereits lange Zeit vor seinem 
Tod keine Hungergefühle mehr geäußert habe. Damit sei den Eltern die 
als Mordmerkmal geltende Grausamkeit nicht nachzuweisen. Zudem lasse 
sich nicht ausschließen, so die höchsten deutschen Richter, dass die 
Eltern aus Gedanken- und Hilflosigkeit untätig blieben, bis der Junge
verhungerte. Folge: Die Verurteilung zu lebenslanger Haft wegen 
Mordes durch unterlassene Hilfeleistung gegen die Eltern ist 
aufgehoben, das Strafmaß muss neu festgesetzt, es muss abgemildert 
werden.
Richter sind in diesem Land nur dem Gesetz verpflichtet - und das ist
gut so. Und selbstverständlich bedeutet Recht nicht immer 
Gerechtigkeit, genausowenig wie Gerichtssäle lediglich Orte von Rache
und Vergeltung sind.
Doch mit ihrer Entscheidung im Fall Dennis sind die Leipziger Richter
ihrer Verantwortung für die Werte in unserer Gesellschaft nicht 
gerecht geworden. Mehr noch. Sie haben nicht nur alle Vorurteile 
gegenüber Juristen als seelen- und herzlose Paragrafenreiter 
bestätigt, sie haben auch dem Kinderschutz in Deutschland einen 
Bärendienst erwiesen. Wer sein Kind verhungern lässt, der handelt 
grausam! Wer in Anerkennung dieser Tatsache einen nach den Buchstaben
des Rechtes relevanten Unterschied zwischen langsamem und schnellem 
Verhungern konstruiert, der ermordet nach meinem Rechtsempfinden die 
geschundene Kinderseele noch einmal - wenn auch auf grausam 
bürokratisch korrekte Art und Weise.

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Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

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