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Stuttgarter Nachrichten: Verfassungsgerichtspräsident Papier sieht „größte Bedrohung für die repräsentative Demokratie“

Stuttgart (ots)

Karlsruhe/Stuttgart – In ungewöhnlich scharfer
Form kritisiert der Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
Hans-Jürgen Papier, den Machtverlust der Parlamente in Deutschland.
„Die schleichende Auszehrung der Parlamente macht mir Sorgen“, sagte
er in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten (Freitag).
„Hinzu kommen bestimmte Erscheinungen der Mediendemokratie, in der
Talkshows zu Ersatzparlamenten werden und eine
Informationsverdünnung, eine Simplifizierung zu beobachten ist, die
jeden halbwegs komplexen Stoff unterdrückt.“ Drittens werde das
Regierungssystem durch den Vertrauensverlust von Politikern und
Parteien geschwächt. Papier: „Zusammengenommen stellen diese Aspekte
die vielleicht größte Bedrohung für die repräsentative Demokratie
dar, weil sie sie von innen her aushöhlen.“
Hart ins Gericht geht der höchste deutsche Verfassungsrichter in
diesem Zusammenhang mit dem Machtzuwachs des Bundesrats, indem er
„einen regelrechten Beteiligungsföderalismus“ geißelt: „Politische
Entscheidungen haben sich aus der parlamentarischen Beratung heraus
verlagert. Entstanden ist ein für die Bürger undurchschaubarer
Verhandlungsverbund von Regierungsvertretern aus Bund und Ländern.“
Entweder blockierten sich Bundesregierung und Bundesrat gegenseitig
oder sie fänden in einer informellen großen Koalition zusammen.
„Entscheidungen sind oft nur noch Kompromisse auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner. Und bei wirklich wichtigen oder politisch
brisanten Gesetzesvorhaben fungiert der Bundesrat häufig weniger als
Vertretung spezifischer Länderinteressen, sondern als
parteipolitischer Gegenpart zur Regierungspolitik. Wie soll man unter
diesen Umständen grundlegende politische Richtungsentscheidungen
treffen – unabhängig davon, welche Partei gerade regiert?“
Papier verlangt, die Zahl der Zustimmungsrechte des Bundesrats und
die Anzahl der Bundesländer zu reduzieren. „Wer Deutschland
grundlegend modernisieren will, muss auch solche dicken Bretter
bohren. Bevor wir nicht deutlich weniger, dafür aber aus sich heraus
lebensfähige Länder haben, kann es auch keine größere Finanzautonomie
der Bundesländer geben.“ Der Länderfinanzausgleich wäre nur dann
entbehrlich, wenn die Bundesländer zu einem gewissen Teil neu
zugeschnitten würden. „Einige haben heute nicht das
Handlungspotenzial, um wirtschaftlich eigenstaatlich existieren zu
können.“
Von Volksentscheiden verspricht sich Papier keine stärkere
Beteiligung der Bevölkerung an der politischen Willensbildung:
„Volksentscheide wären ein weiteres Instrument in der Hand der
Parteien. Doch Parteien werden nicht aus Liebe zu den Bürgern
entscheiden, ob das Volk zur Abstimmung gebeten wird, sondern
vielfach aus politischem und parteitaktischem Kalkül.“ Für sinnvoller
hält er Volksinitiativen – wenn Bürger für ein Anliegen genug
Unterschriften sammelten, müssten sich die gesetzgebenden Organe des
Bundes mit ihrer Initiative befassen.
ots-Originaltext: Stuttgarter Nachrichten
Digitale Pressemappe:
http://www.presseportal.de/story.htx?firmaid=39937

Rückfragen bitte an:

Stuttgarter Nachrichten
Redaktion
Joachim Volk
Telefon: 07 11 / 72 05 - 7120
Email: cvd@stn.zgs.de
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