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Rheinische Post: Hinter Kraft kommt nicht viel

Düsseldorf (ots)

Ein Kommentar von Sven Gösmann:

Die Geschichte lehrt, dass ein Vorhaben, welches mit einem Wortbruch beginnt, schwerlich gelingt. Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen und ihre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die heute vor einem Jahr vom Landtag gewählt wurde, tragen die Bürde des Wortbruchs mit sich. "Niemals mit den Linken" hatte es geheißen. Diese Truppe von Sonderlingen, die in Teilen die DDR glorifiziert, Israel das Existenzrecht abspricht und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ein trübes Verhältnis unterhält, könne kein Partner sein. Doch Rot-Grün fehlt eine Stimme im Landtag, und so wurde die Linkspartei zur gar nicht heimlichen Mehrheitsbeschafferin. Über Monate konnten die beiden Spitzenfrauen des Bündnisses, Kraft und Bildungsministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen, durch ihr gefälliges Auftreten diese wie andere Schwächen der Regierung überschminken. Doch inzwischen wird deutlich: Diese Schwächen sind zahlreich und überwiegend in den Reihen der Sozialdemokraten zu finden. So hat die Ministerpräsidentin ein massives Personalproblem. Hannelore Kraft verfügt über Qualitäten, die den von ihrer Partei gestellten Ministern mehr oder weniger abgehen: Empathie, Sachkenntnis, eine authentische Volksnähe. Hinter Kraft jedoch offenbart die SPD ein Leistungsgefälle des politischen Personals, am offensichtlichsten in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Hochschule und zuletzt im Management der Landtagsfraktion. Dort vor allem entstanden die großen und kleinen Pleiten in Regierung und Partei. Diesen Umstand drückt auch die aktuelle Umfrage aus, in der Hannelore Kraft im Direktvergleich mit ihrem CDU-Herausforderer Norbert Röttgen deutlich besser abschneidet (51 : 29 Prozent) als ihre Partei bei der Sonntagsfrage (33 Prozent, CDU: 32). Kraft hatte für das Experiment Minderheitsregierung keine politischen Schwergewichte begeistern können und musste häufig auf landespolitisches Mittelmaß zurückgreifen. Umso augenfälliger wird dieses Problem durch die Grünen, die in den Ministern Löhrmann, Remmel (Umwelt) und Steffens (Gesundheit) angreifbare Positionen vertreten, dies jedoch mit starken politischen Persönlichkeiten. Das personelle Problem der Minderheitsregierung träte in den Hintergrund, wäre das inhaltliche Angebot überzeugender. Die SPD wurde bei allem hinterher behaupteten Selbstbewusstsein letztlich von der Regierungsübernahme überrascht. Vielleicht kam diese für die im Wiederaufbau befindliche langjährige NRW-Staatspartei einfach fünf Jahre zu früh. Anfangs versuchte Kraft es mit dem Wiederbeleben Johannes Rauscher "Präventionspolitik", also heute "gute Schulden" zu machen, um morgen die sozialen Folgekosten gesellschaftlicher Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Münsteraner Verfassungsrichter und die dramatische Kassenlage des Landes verhinderten, dass aus diesem Plan eine glaubwürdige Erzählung werden konnte. Seit der Schlappe vor dem Verfassungsgericht für ihre Haushaltspolitik wendet sich Kraft einem anderen Traditionsfeld der NRW-SPD zu: der Großindustrie an Rhein und Ruhr. Wortreich versucht sie, Wirtschaftskompetenz zu demonstrieren, und sucht die Nähe zu den Chefetagen. Man könnte den neuen Kurs etwa so beschreiben: Aus ihrem Credo der Anfangsmonate "Wir lassen kein Kind zurück" machte Kraft "Wir lassen keinen Boss unbeachtet". Bislang verfängt diese Strategie in der Wirtschaft und damit auch im konservativ-liberalen Wählerlager allerdings noch nicht. Vorerst bleibt das Kraft-Löhrmann-Bündnis eine Regierung mit starken grünen Nuancen, das vor allem durch die hausgemachte Schwäche der Opposition gestützt wird: Die Liberalen agieren unter der Wahrnehmungsschwelle. Und die CDU ist ungefähr da, wo die SPD nach ihrem Machtverlust-Schock 2005 angelangt war: eine Partei mit einem neuen Hoffnungsträger, an den sie noch nicht so recht glauben mag, und einer Menge Langzeitverwundeter aus der verlorenen Wahlschlacht. CDU-Landeschef Röttgen ist bei seinen häufigen "Spitzentreffen" mit Hannelore Kraft gut beraten, genau hinzusehen. Auch eine hoffnungslose Ausgangsposition kann am Ende in die Staatskanzlei führen. Seine Gesprächspartnerin hat es vorgemacht. Von Kraft kann er aber auch lernen, dass nach dem Gipfel immer der Abstieg ins Tal kommt.

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