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Börsen-Zeitung: Die Nagelprobe kommt noch, Kommentar zu den ausgesetzten Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich von Christof Roche

Frankfurt (ots)

Das politische Signal ist eindeutig:
EU-Währungskommissar Joaquín Almunia will im Streit mit Deutschland
und Frankreich kein neues Öl ins Feuer gießen. Zu frisch ist noch die
Erinnerung an die Konfrontation im vergangenen Herbst, als die
Kommission wegen der Weigerung aus Berlin und Paris, eine
Verschärfung der Defizitverfahren hinzunehmen, vor den Europäischen
Gerichtshof (EuGH) zog. Gut ein Jahr später und nach dem
EuGH-Entscheid, die einseitigen Schlussfolgerungen der Finanzminister
zu den deutsch- französischen Defizitprozeduren zu annullieren, lässt
Almunia die Verfahren jetzt erst einmal ruhen. Mindestens bis zum
Frühjahr, wenn nicht sogar noch länger, wird Brüssel keine neuen
Schritte unternehmen – wohl auch in der Hoffnung, bis dahin mit der
Paktreform unter Anrechnung von EU-Nettozahlungen neue Spielregeln zu
haben.
Trotz der Deeskalation in Richtung Berlin und Paris ist die
Kommission aber nicht aus dem Schneider. In der nächsten Woche will
Almunia neue Sparvorgaben an die griechische Regierung formulieren.
Der Spanier will der Athener Führung bis 2006 ein Jahr mehr Zeit
geben, um die Neuverschuldung konjunkturschonend von über 5% des
Bruttoinlandsprodukts auf Maastricht-konformes Niveau zu drücken.
Doch diese Rücksichtnahme gibt es nicht umsonst. Almunia will
gleichzeitig das Athener Defizitverfahren eine Stufe weiter in
Richtung Finanzsanktionen treiben.
Hier jedoch endet wiederum die neue „Freundschaft“ zwischen
Brüssel und vor allem Berlin. Denn die Bundesregierung lehnt für sich
jede prozedurale Verschärfung ab und wird schon deshalb keinen
griechischen Präzedenzfall zulassen. Für Kanzler Gerhard Schröder
steht fest, spätestens im Wahljahr 2006 gibt es keine störenden
Sperrfeuer mehr an der Defizitfront. Im Hause seines Finanzministers
baut man deshalb schon fleißig vor und gibt für Athen die Parole aus,
ebenfalls Milde walten zu lassen: Schließlich war es nicht die neue –
und äußerst kooperative – Führung in Athen, die den griechischen
Karren in den Graben gesetzt hat.
Die gestrige Entscheidung, die Defizitverfahren gegen Deutschland
und Frankreich ruhen zu lassen, kann man wegen der Vorgeschichte
gerade noch als Sonderfall durchgehen lassen. Für Griechenland, das
wegen jahrelang frisierter Defizitzahlen ohnehin sämtlichen Kredit
verspielt hat, gilt das mit Sicherheit nicht. Lässt sich Almunia auf
die Argumentation aus Berlin ein, und hält auch das Athener Verfahren
an, dann setzt er die Glaubwürdigkeit der Brüsseler Euro- Hüterin
vollends aufs Spiel. Denn dann wird es niemals mehr zu Sanktionen
kommen, wenn ein Defizitsünder seine Finanzen nicht in den Griff
bekommt.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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