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Börsen-Zeitung: US-Missionare, Kommentar zur US-Kritik an der deutschen Exportstärke, von Stephan Lorz.

Frankfurt (ots)

Während viele Nationen der westlichen Welt - vorneweg die USA - über Jahre hinweg auf Pump gelebt und dramatisch hohe Schulden angehäuft haben, hatte sich das seinerzeit als "kranker Mann" Europas geschmähte Deutschland einer Kur an Haupt und Gliedern unterzogen. Schmerzhafte Reformen wurden durchgesetzt, Unternehmen haben sich neu positioniert, die Arbeitnehmer hatten Lohnzurückhaltung geübt, der Staat Verwaltungsprozesse durchlüftet und die Sozialsysteme auf eine stabile Grundlage gestellt. Die jüngsten Erfolge auf dem Arbeitsmarkt, die Widerstandskraft selbst in Krisenjahren und die Absatzerfolge zeigen, dass Deutschland zu alter Stärke zurückgefunden hat.

Dass jetzt die USA, die mit ihrer ultralockeren Geldpolitik die ganze Welt mit billigen Dollars überschwemmen und damit nebenbei ganze Volkswirtschaften destabilisieren, nun gerade Berlin vorwerfen, mit der deutschen Exportstärke die Euro-Krise verursacht zu haben, entbehrt jeder Logik. Hat doch erst die US-Verschuldungsorgie, mit der Regierung und Notenbank das Land aus einer Wirtschaftskrise heraushebeln wollten, jene verhängnisvolle Entwicklung in Gang gesetzt, die zuletzt in der Finanzkrise gipfelte und weltweit großes Chaos hinterlassen hat. Denn die Verschuldungspolitik wurde zur allein selig machenden ökonomischen Religion erhoben. Die Missionare der Investmentbanken in Gestalt ihrer Volkswirte und die Claqueure beim Internationalen Währungsfonds (IWF) brachten diese Vorstellungswelt auch nach Europa, wo sie dankbare Abnehmer fand etwa in Spanien, Portugal und natürlich auch in Griechenland.

Nun gerade Berlin ob seiner erfolgreichen Wirtschaftspolitik zu schmähen und die Euro-Krisenländer im Gegenzug ob ihrer Anpassungspolitik zu loben, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Haben die USA ja selbst noch nicht einmal die notwendigen Reformen eingeleitet. Und was sollte Deutschland ihrer Meinung eigentlich tun? Höhere Löhne dekretieren? Die Exportindustrie zügeln? Die Staatsverschuldung nach oben treiben, um einen künstlichen Boom zu erzeugen, wie es immer noch in den USA der Fall ist? Das kann in einer freiheitlichen Volkswirtschaft nicht der richtige Weg sein. Und auch Washington kann das eigentlich nicht ernsthaft in Erwägung ziehen - es sei denn, die USA hätten sich von solchen freiheitlichen Vorstellungen längst verabschiedet. Diesen Verdacht wecken das Gehabe der Geheimdienste und die zentrale Rolle der US-Notenbank als Regierungsfinancier durchaus.

(Börsen-Zeitung, 1.11.2013)

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