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Börsen-Zeitung: Ackermanns großes Kino, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Jahrespressekonferenz der Deutschen Bank

Frankfurt (ots)

Jahrespressekonferenzen der Deutschen Bank sind
traditionell großes Kino. Vor allem natürlich dann, wenn der 
Hauptdarsteller einen guten Tag hat. Josef Ackermann hatte am 
Donnerstag einen guten Tag. Der Vorstandsvorsitzende hat seine 
anspruchsvolle Aufgabe mit Schweizer Bierruhe und Präzision erledigt 
und die Agenda, die bei diesem Event über Geschäftszahlen, Strategie,
Regulierung oder volkswirtschaftliche Themen hinaus stets auch Fragen
von Kultur, Moral oder Weltpolitik umfasst, souverän abgearbeitet.
Banker sind geborene Buhmänner. In besseren Zeiten werden die 
"Wucherer" wegen ihres Erfolges angefeindet, in weniger guten Zeiten 
wegen ihres Misserfolges. Und in Krisenzeiten wie heute ist es für 
maßgebliche Teile der Politik und der Öffentlichkeit sowieso die 
allerleichteste Übung, sie für alle Übel dieser Welt verantwortlich 
zu machen. Auch insofern nehmen der Branchenprimus und sein 
Spitzenmann eine herausgehobene Stellung ein. Im aktuellen Umfeld, in
dem es für den Boulevard nur wenige Themen zu geben scheint, die 
spannender sind als die Vergütungsstrukturen von Investmentbankern 
und Führungskräften der Kreditwirtschaft, bedeutet das eine ganz 
besondere Herausforderung für den Chef einer Bank, die 30 Monate nach
Beginn der säkularen Weltfinanzkrise einen Jahresgewinn von 5Mrd. 
Euro erzielt hat und vor Kapitalkraft kaum laufen kann. Denn wohl nie
zuvor war es schwieriger, auf die konträren Interessen sämtlicher 
Stakeholder zumindest einzugehen; zu aller Zufriedenheit gerecht 
werden lässt sich ihnen ohnehin nicht. Zu diesen Anspruchsgruppen 
gehören ja aus gegebenem Anlass mehr denn je nicht zuletzt Politik 
und Regulatoren.
An der Gewinnverteilung wird der Konflikt beispielhaft deutlich. 
Ihre 580000 Aktionäre speist die Deutsche Bank, die im 
zurückliegenden Geschäftsjahr beim Vorsteuergewinn einen Swing von 
fast 11 Mrd. Euro hingelegt hat, mit einer Ausschüttungsquote von 
weniger als 10% ab. Im Moment stehe nicht die Erfolgsbeteiligung der 
Anteilseigner im Fokus, sondern die Kapitalstärkung, sagt Ackermann. 
Wie wahr! In BaFin und Bundesbank wird man es sehr gerne gehört 
haben. Was den vernünftigen Umgang mit knappen finanziellen Mitteln 
zumal in Krisenzeiten angeht, können sogar schwäbische Hausfrauen und
Berliner Politiker vom Chef der Deutschen Bank noch etwas lernen. 
Dass ihre Bank nach herkömmlichen Maßstäben eher überkapitalisiert 
erscheint, sollte aber auch aus Sicht der Aktionäre kein Grund für 
Wehgeschrei sein. Niemand weiß, was aus Basel und anderen Kapitalen 
der Regulierung noch auf das Bankgewerbe zukommt - auch auf 
Krisengewinner, die bisher ohne unmittelbare Staatshilfe über die 
Runden kamen.
Ebenso wie diese Gratwanderung gelingt Ackermann jene beim Thema 
Boni. Logisch: Gute, gar leidenschaftliche Leistungen müssen 
angemessen honoriert werden, übrigens auch für Vorstandsmitglieder. 
Die Leute wollen für weitere besondere Anstrengungen motiviert werden
und sollen nicht zur Konkurrenz überlaufen. Andererseits löst in der 
aufgeheizten Diskussionsatmosphäre dieser Tage alles, was auch nur 
entfernt nach Vergütungsexzess riecht, nicht nur einen öffentlichen 
Aufschrei der Empörung, sondern womöglich auch neue hektische 
Aktivitäten von Aufsichtsseite aus. Ein Anstieg der Personalkosten um
18% bei verdoppelten Erträgen und eine Personalaufwandsquote von gut 
40% mögen da nach innen hinreichend Anerkennung und Ansporn sein, 
während sie nach außen dabei helfen, den Anschein einer Provokation 
zu vermeiden.
Einen weiteren überzeugenden Beleg dafür, dass jedenfalls die 
Deutsche Bank in der neuen Welt angekommen ist, liefert das 
Eindampfen der Bilanz um ein Drittel. 700 Mrd. Euro, großteils 
Handelsaktiva, haben sich 2009 in Luft aufgelöst. Auch dies war eine 
Art von "Kreditersatzgeschäften", wie sie Ackermann einigen "etwas 
naiv" agierenden Landesbanken vorwirft. Der entscheidende Unterschied
besteht darin, dass die Deutsche Bank in aller Regel wusste, was sie 
tat. Unabhängig davon hat dieses Geschäftsmodell, das sich durch 
große Volumina und kleine Kapitalunterlegung "auszeichnete", in einer
Zeit, in der alle Welt auf den Faktor des Hebels schaut, ausgedient. 
Hohen Respekt verdient, wie es der Bank gelingt, den Wegfall dieses 
riesigen Ertragspotenzials durch mindestens ebenso renditeträchtige, 
aber offenbar nachhaltigere Aktivitäten zu kompensieren.
Die zeitgemäße Balance hat Ackermann auch auf dem weiten Feld der 
Regulierung gefunden: klares Bekenntnis zur Notwendigkeit einer 
effektiveren Kontrolle des Finanzsektors und nicht einmal ein Verriss
britisch-französischer Boni-Sondersteuern oder potenziell 
einschneidender Obama-Pläne - aber zugleich eine in diplomatische 
Worte verpackte, dennoch vernehmliche Warnung vor nachteiligen Folgen
für Finanzsystem und Volkswirtschaft, sollte der Bankensektor durch 
übertriebene Konsequenzen aus der Krise allzu stark in seiner 
Leistungsfähigkeit eingeschränkt werden.
Das alles vorgetragen in einem ausgewogenen Verhältnis von 
nonchalanter Sachlichkeit, gebremstem Stolz auf das Erreichte, 
demonstrativer Zuversicht in die künftigen Chancen sowie authentisch 
wirkender Demut vor der höheren Macht von Politik und Regulatoren: 
Nicht nur von der Handlung her, auch hinsichtlich der Art der 
Darbietung war für alle relevanten Stakeholder etwas dabei. Großes 
Kino eben.
(Börsen-Zeitung, 5.2.2010)

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