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Börsen-Zeitung: Verpasste Chance, Kommentar von Christof Roche zu den Vorschlägen der EU-Kommission für eine Reform der Finanzaufsicht in Europa

Frankfurt (ots)

Der Präsident der Europäischen Kommission, José
Manuel Barroso, hat Wort gehalten - zumindest für den Zeitplan. In 
nicht einmal zwölf Monaten stampfte seine Behörde das Konzept einer 
neuen Finanzaufsicht aus dem Boden, um Europas Finanzbranche 
krisenfester zu machen. Das ist löblich, nur der von Barroso in 
Aussicht gestellte Quantensprung ist das nicht.
Da ist zunächst die Institutsüberwachung. Auch in der neuen 
Struktur bleiben die nationalen Aufseher für die Kontrolle im 
Tagesgeschäft zuständig. Allein im Ausnahmefall erhält die EU-Ebene 
ein Weisungsrecht in die Staaten. Das geht bei einem 
Finanzbinnenmarkt, in dem die großen Institute vier Fünftel aller 
Assets verwalten, an der Realität vorbei. Besser wäre gewesen, eine 
klassische Zweistufenaufsicht einzurichten, in der die Großen 
europäisch und die regionalen Institute national kontrolliert würden.
Aber auch in der Makroüberwachung fällt Brüssel zurück. 
Sicherlich, es wird mit dem Systemrisikorat bei der Europäischen 
Zentralbank (EZB) erstmals ein Gremium eingerichtet, das die 
Finanzstabilität als Ganzes im Auge behält. Nur kann der Risikorat 
weder Handlungsaufforderungen an nationale Aufseher erlassen, noch 
hat er direkten Einblick in die Bücher der Institute. Er muss sich 
auf (gefilterte) Daten verlassen, die ihm die nationale Aufsicht 
überlässt. Das ist systemimmanent eine Schwächung, soll der Risikorat
doch qua Qualität seiner Analyse und Urteilskraft überzeugen, um 
Stabilitätsdefizite zu beheben. Dass die EZB - mit Präsident 
Jean-Claude Trichet an der Spitze - hier mit Brüssel d'accord ist und
nicht mehr Verantwortung will, ist verständlich. Trichet hat in 
erster Linie den Zusammenhalt des Eurosystems im Blick und will die 
EZB gezielt keinen Spannungen aussetzen, die mit einer 
Weisungsbefugnis - auch über die Währungsunion hinaus - auf die 
Notenbank zukämen. Ganz zu schweigen vom Interessenkonflikt, den die 
EZB mit Preisstabilität und einer echten Makrokontrolle meistern 
müsste.
Mit der Neuausrichtung der Aufsicht steckt die Kommission daher 
das Minimum ab, das für eine Stärkung des Finanzsystems in Europa 
erforderlich ist. Die Reform ist ein erster Schritt, um die 
Überwachung an die Marktrealität anzupassen - mehr aber nicht. Das 
ist bedauerlich, denn Europa vergibt damit leichtfertig die Chance, 
über eine wirklich europäische Finanzaufsicht global die Richtung 
vorzugeben.
(Börsen-Zeitung, 24.9.2009)

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