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Börsen-Zeitung: Geldmarkt ohne Handel, Börsenkommentar "Marktplatz" von Martin Hampel

Frankfurt (ots)

Was derzeit am europäischen Interbankenmarkt zu
beobachten ist, lässt sich wohl am trefflichsten als die Rückkehr von
katastrophalen zu äußerst üblen Verhältnissen beschreiben. Aber 
immerhin: Die Zinssätze, zu denen Banken sich untereinander Geld 
leihen, sinken. Präziser ausgedrückt: Die Sätze, zu denen Banken 
behaupten, Geld an andere zu leihen, sinken. Denn die Volumina in den
Fristen oberhalb einer Woche sind nach wie vor absolut dünn, und wenn
gehandelt wird, dann zu höheren Zinsen als offiziell gemeldet. Das 
liegt nicht unbedingt daran, dass niemand in der Lage ist, Geld zu 
verleihen. Es liegt daran, dass sich niemand sicher sein kann, dass 
der Kontrahent nicht pleitegeht und das verliehene Geld verschwunden 
ist.
Dass genug Liquidität im Markt ist, zeigt die Einlagefazilität der
Europäischen Zentralbank. In dieser werden Nacht für Nacht 
rekordverdächtige Summen von den Instituten geparkt, zu Sätzen, die 
unter denen des Interbankenmarkts liegen. Die EZB, so die Logik, kann
immer zurückzahlen.
Das ist zwar richtig. Sie wird aber wie am Donnerstag angekündigt 
den Zins in der Einlagefazilität senken, um sie gegenüber dem 
Geldmarkt unattraktiver zu machen. Statt mit 2 werden die 
EZB-Einlagen dann mit 1,5% verzinst. Ob das die Banken animiert, sich
wieder mit Geld zu versorgen, darf getrost bezweifelt werden. 
Liquidität geht vor Rentabilität, und von der EZB kommt das Geld zwar
niedriger verzinst, aber dafür mit Sicherheit zurück.
Ein derzeit diskutierter Vorschlag ist die Einrichtung einer 
Clearing-Stelle, die für den Interbankenhandel das Kontrahentenrisiko
eliminiert. Für eine solche Institution haben sich zuletzt einige 
Banken starkgemacht. Idealerweise würde die Clearing-Stelle bei der 
EZB angesiedelt, um eine kleinteilige Lösung via nationale Regelungen
und die damit einhergehenden Reibungsverluste zu vermeiden.
Die Idee ist einerseits bestechend einfach. Andererseits ist eine 
wesentliche Frage nicht geklärt: Wie kommt man aus der Geschichte 
wieder raus? Die Banken könnten sich an eine Clearing-Stelle 
sicherlich prima gewöhnen. Doch eine Garantie für die Geschäfte im 
Interbankenhandel kann nur eine Zwischenlösung sein. Ob aber ein 
gesunder und schwungvoller Handel in Gang kommen würde, wenn im 
Zweifelsfall niemand mehr für den Schaden haftet, ist offen.
Bei der EZB scheint man der Idee zwar nicht vollkommen abgeneigt 
zu sein, wartet aber darauf, dass die Banken eigene Vorschläge zur 
Lösung des Problems vorlegen. Dass bis dahin noch einige Zeit 
vergehen wird, kommt der EZB zupass, wird im Markt vermutet. Denn bei
den moderat sinkenden Sätzen vor dem kritischen Jahresultimo und 
einem neuen Satz in der Einlagefazilität könnte sich die Krise im 
Interbankenhandel im kommenden Frühjahr ja vielleicht doch von einer 
etwas milderen Seite zeigen und tiefgreifende regulatorische 
Neuerungen wie eine Clearing-Stelle überflüssig machen.
Die schwierige Liquiditätssituation tritt vor dem nahen Jahresende
auch in anderen Bereichen deutlich sichtbar zutage. Die Euro-Rally in
der gerade abgelaufenen Handelswoche ist Marktteilnehmern zufolge zu 
einem Gutteil der engen Liquidität und den dünnen Handelsvolumina 
geschuldet. Vor dem Jahresende sind traditionell ohnehin mehr 
spekulative Investoren am Start als etwa im Sommer. Die dünnen 
Handelsvolumina bedingen, dass die Kursausschläge deutlicher sind, 
wenn mal eine größere Position umgeschichtet wird. Die Verschiebungen
vom Dollar zum Euro haben die Gemeinschaftswährung also in dem 
Jahresend-Marktumfeld besonders beflügelt. Das haben spekulative 
Investoren genutzt, um an bestimmten Marken als Trendfolger 
einzusteigen. Zu guter Letzt mussten diejenigen Anleger, die auf 
einen steigenden Dollar gesetzt hatten, ihre Positionen glattstellen 
- als die Gemeinschaftswährung dann von 1,37 bis auf 1,47 Dollar 
kletterte, fielen die Stop-Losses der Investoren wie Dominosteine um.
Wie schnell sich solche Trends bei der aktuellen Liquiditätslage 
umkehren können, wurde freilich zum Ende der gerade abgelaufenen 
Handelswoche deutlich. Der Euro fiel binnen zweier Tage von 1,47 
zurück unter die Marke von 1,39 Dollar.
(Börsen-Zeitung, 20.12.2008)

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