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Börsen-Zeitung: Anmaßender Staat, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den automatisierten Kontenabruf

Frankfurt (ots)

Mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen den
automatisierten Kontenabruf haben die Volksbank Raesfeld und andere 
Beschwerdeführer einen respektablen Teilerfolg errungen. Nicht 
allein, weil das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Erhebung 
von Stammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten einen Verstoß 
gegen den Bestimmtheitsgrundsatz konstatiert und den Gesetzgeber zur 
Korrektur verpflichtet. Sondern vor allem, weil schon die Beschwerden
als solche vor zwei Jahren dazu geführt haben, dass der Angriff auf 
Bürger und Banken abgemildert wurde.
Nach den ursprünglichen Plänen sollte das Ausspähen der 
Steuerpflichtigen ohne Vorwarnung, sogar ohne spätere Information, 
also ohne Chance auf Rechtsschutz, möglich sein. Willkür und 
Missbrauch wären dann kaum zu kontrollieren gewesen. Hier hat - in 
einem äußerst gewöhnungsbedürftigen Verständnis von Gewaltenteilung -
die Exekutive per Anwendungserlass teilweise repariert, was die 
Legislative vorher vermurkst hatte.
Aber eben nur teilweise. Die nun von den "Roten Roben" im 
Wesentlichen gebilligten Ermächtigungen sind nach wie vor weit 
überzogen. Leider verschließen die höchsten deutschen Richter die 
Augen vor der Anmaßung des Staates. Kontenabrufe stünden unter dem 
Gebot der Erforderlichkeit und seien nur im Rahmen konkreter 
Verdachtsmomente, nicht aber ins Blaue hinein erlaubt, so die 
Richter. Doch da hat die Finanzverwaltung ihre eigene, sehr 
"pragmatische" Interpretation: die Erforderlichkeit, heißt es im 
Anwendungserlass von 2005, setze keinen begründeten Verdacht auf 
steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten voraus. Es genüge, wenn ein 
Kontenabruf z.B. "aufgrund allgemeiner Erfahrungen" angezeigt sei.
Der Staat möge Kriminalität, namentlich Terrorismus und 
Geldwäsche, aber auch Steuerhinterziehung und Missbrauch von 
Sozialleistungen, entschlossen bekämpfen. Doch geht es definitiv zu 
weit, wenn jeder Unbescholtene ins Fadenkreuz der Zielfahnder geraten
kann, etwa weil "aufgrund allgemeiner Erfahrungen" davon auszugehen 
ist, dass Steuern hinterzogen und Sozialleistungen erschlichen 
werden. Ohne begründete Anhaltspunkte für einen Verdacht im 
Einzelfall sollte der Staat im beiderseitigen Interesse auf die 
Ehrlichkeit seiner Bürger vertrauen, statt diese unter 
Generalverdacht zu stellen. Dieser "Unschuldsvermutung" wird der 
Karlsruher Beschluss nicht gerecht. Er trägt eher zu noch größerer 
Staatsverdrossenheit bei.
(Börsen-Zeitung, 13.7.2007)

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