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Der Tagesspiegel: SPD droht Stromkonzernen

Berlin (ots)

Berlin - Der SPD-Energieexperte Hermann Scheer will
den Stromkonzernen den Zugriff auf ihre milliardenschweren 
Rückstellungen für die nukleare Entsorgung per Gerichtsentscheid 
entziehen lassen, falls diese nach einem Regierungswechsel den 
Atomausstieg aufkündigen. "Wenn die Begrenzungen im Atomgesetz 
aufgehoben werden und die Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW die 
Laufzeit ihrer Kernkraftwerke verlängern dürfen, entfällt auch die 
Geschäftsgrundlage für das Stillhalten bei den Atomrückstellungen", 
sagte Scheer dem Tagesspiegel am Sonntag. In diesem Fall müsse die 
SPD konsequenterweise mit einer Klage beim Bundesfinanzhof darauf 
dringen, dass "die Subvention der Atomkraft über das Steuerrecht ein 
Ende findet".
Scheers Drohung bezieht sich auf die finanzielle Vorsorge, die 
Betreiber von Atomkraftwerken für die Endlagerung des radioaktiven 
Mülls und den Abriss stillgelegter Reaktoren treffen müssen. Diese 
Rückstellungen, die nach Angaben der betroffenen Unternehmen bereits 
30 Milliarden Euro betragen, sind in der Praxis Gewinne, die 
steuerfrei vereinnahmt werden. Obwohl das Geld unweigerlich 
irgendwann benötigt wird, haben die Konzerne bisher freie Hand bei 
ihrer Verwendung und nutzen sie als zins- und steuerfreies Kapital 
für Investitionen aller Art. Dies, sagt Scheer, benachteilige nicht 
nur die Wettbewerber ohne Atomkraftwerke und verstoße folglich gegen 
das Beihilfeverbot der EU. Es berge auch die Gefahr, dass die Mittel 
infolge von Fehlinvestitionen nicht mehr verfügbar sind, wenn sie 
gebraucht werden. Darum hatten Scheer und 34 weitere Abgeordnete der 
SPD-Fraktion bereits 1998 einen Gesetzentwurf zur Überführung der 
Rückstellungen in einen "öffentlichen Rücklagenfonds" vorgelegt. Im 
Rahmen der Ausstiegsverhandlungen setzten die vier Konzerne durch, 
dass ihr Privileg unangetastet blieb. Rot-Grün machte sich in Brüssel
dann sogar gegen einen Vorstoß der EU-Kommission stark. "Wenn die 
Betreiber den Ausstieg aus dem Ausstieg wollen, dann ist es auch mit 
diesem Konsens vorbei", mahnte Scheer und wähnt sich juristisch auf 
der sicheren Seite. Im Grunde sei schon 1998 klar gewesen, "dass die 
Rückstellungspraxis rechtlich nicht zu halten ist, wenn es zur Klage 
kommt", sagte Scheer mit Verweis auf Entscheidungen des 
Bundesfinanzhofes.
Die Atomkraft-Betreiber nehmen in einer laufenden Auseinandersetzung 
mit der Bundesaufsicht die Konsensvereinbarung noch in Anspruch. Weil
Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) das bisher unverbindliche und 
veraltete "kerntechnische Regelwerk" modernisieren und rechtlich 
absichern will, fürchtet die Industrie eine teure Verschärfung der 
Sicherheitsauflagen. Dagegen verwahrte sich Eon-Vorstand Walter 
Hohlefelder in einem Brief an Trittin, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Das Vorhaben stehe "nicht im Einklang mit Geist und Buchstaben 
unserer Vereinbarung", mahnte Hohlefelder und verwies auf die 
schriftlich abgegebene Verpflichtung der Schröder-Regierung "keine 
Initiative zu ergreifen, den Sicherheitsstandard zu ändern".

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
thomas.wurster@tagesspiegel.de

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