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Der Tagesspiegel: Schabowski schaut auf den 9. November 1989 mit Genugtuung und Stolz zurück
"Sozialismus als Gesellschaftskonstrukt zum Scheitern verurteilt"
Kritik an Krenz

Berlin (ots)

Berlin - Der ehemalige SED-Politiker Günter
Schabowski, der am Abend des 9. November 1989 mit der Verkündung 
einer neuen Reiseregelung den Mauerfall ausgelöst hatte, sagte dem 
Berliner "Tagesspiegel" in einem Exklusivinterview, dass er auf 
diesen Tag "mit Genugtuung und auch mit einem gewissen Stolz" 
zurückschaue. Zwar sei die Linkspartei der Meinung, er sei "ein 
Verräter und Schweinehund". Aber es gebe auch Menschen, die seinen 
damaligen Versuch respektierten, "die Spaltung zwischen Ost und West 
zu überwinden". Die historische Dimension des Augenblick sei ihm 
allerdings erst viel später bewusst geworden, sagte der 80-jährige 
Schabowski. Zwar sei ihm klar gewesen, "dass das ein relativ 
einschneidender Schritt war", der die Konfrontation zwischen Ost und 
West beendete. "Und wir waren uns im Klaren, dass daraus eine 
Entwicklung wird, bei der wir uns mit dem Westen arrangieren müssen. 
Allerdings noch unter den Bedingungen einer deutschen Teilung mit 
einer souveränen DDR."
Unterdessen hat das ehemalige Mitglied des SED-Politbüros mit der 
DDR und dem Sozialismus abgeschlossen. Der Versuch, ein solches 
Gesellschaftskonstrukt zu schaffen, sei "von vornherein zum Scheitern
verurteilt", sagte er. "Zu glauben, dass zu einem bestimmten 
Zeitpunkt die Gesellschaft ideal zu formen sei, ist eine Illusion." 
Inzwischen habe sich auch die Linkspartei "von sozialistischen 
Vorstellungen verabschiedet, auch von ihrer Terminologie", sagte 
Schabowski. "Die Linkspartei möchte nur das abschöpfen, was von den 
sozialistischen Träumen übrig geblieben ist, um daraus politischen 
Gewinn zu ziehen."
In dem ausführlichen Interview geht Schabowski mit seinem 
ehemaligen Politbüro-Mitstreiter Egon Krenz, dem Nachfolger Honeckers
als SED- und Staatschef, hart ins Gericht. Krenz sei "auch in der 
Runde des Politbüros nicht beliebt" gewesen. Als Honecker-Nachfolger 
sei er "ein Kompromisskandidat" gewesen. Man habe sich auf ihn 
geeinigt, weil man gedacht habe, "wir würden ihn am schnellsten 
absetzen können, wenn sich herausstellen sollte, dass wir eine andere
Führung brauchten". Schabowski bestritt, dass Krenz ihm am 9. 
November 1989 mitgeteilt habe, dass für die neue Reiseregelung eine 
Sperrfrist gelte, wodurch der Ansturm der Reisewilligen womöglich 
hätte kanalisiert werden können. Krenz habe ihm das Papier "vor der 
Pressekonferenz gegeben - ohne ein Wort von einer Sperrfrist, nichts 
dergleichen. Im Nachhinein hat er versucht, sich vor den Gremien 
damit zu rechtfertigen, dass er mir das Papier übergeben hätte und 
dabei sei eine Sperrfrist gewesen. Natürlich wäre eine Sperrfrist 
angemessen gewesen, wenn wir drei, Siegfried Lorenz, der Parteichef 
aus Karl-Marx-Stadt, Krenz und ich, uns darauf geeinigt hätten." 
Schabowski hatte in der Pressekonferenz gesagt, die Regelung gelte ab
sofort, unverzüglich. Es habe ihn "verflucht geärgert, dass Krenz 
dann herumzeterte, er hätte das nicht gemacht".
Bei Rückfragen:
Der Tagesspiegel
Politikredaktion
Tel.: 030/29021-14905

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
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